Bundesregierung und Ministerpräsidenten der Länder beschließen faktisch einen Kultur-Lockdown

Die beschlossenen Maßnahmen und die Reaktionen darauf

Bund und Länder haben angesichts der rasant steigenden Corona-Infektionszahlen massive Einschränkungen für den November beschlossen. Das bestätigte Kanzlerin Angela Merkel auf einer Pressekonferenz nach den Beratungen mit den Ministerpräsidenten. Vor allem mit scharfen Kontaktauflagen wollen sie die Ausbreitung des Virus eindämmen. Deutschlandweit sollen die Maßnahmen vom 2. November an bis 30. November gelten.

Pressekonferenz der Bundesregierung vom 28.10.2020 (Quelle: Die Bundesregierung)

Folgende Maßnahmen sind beschlossen worden:
Kontakte werden auf maximal 10 Personen aus zwei Haushalten reduziert. Feiern in Gruppen sind verboten. Die Gastronomie muss schließen, ein Abhol- und Lieferservice ist jedoch weiterhin möglich. Freizeiteinrichtungen wie Kinos, Theater und Clubs müssen schließen, Veranstaltungen sind untersagt. Es sind keine Übernachtungen in Hotels und Pensionen für Touristen mehr möglich. Ebenso wird ein organisierter Amateur- und Freizeitsport nicht mehr möglich sein. Profisport gibt es nur ohne Zuschauer. Verstöße gegen diese Kontaktbeschränkungen würden von den Ordnungsbehörden sanktioniert, heißt es in den Beschlüssen. Betriebe im Bereich der Körperpflege wie Kosmetikstudios, Massagepraxen oder Tattoostudios sollen im November schließen. Friseursalons bleiben aber unter den bestehenden Hygienevorgaben geöffnet. Auch medizinisch notwendige Behandlungen sollen weiter möglich sein. Der Bund plant laut dpa offenbar »milliardenschwere Nothilfen« für Unternehmen, die von den vorübergehenden Schließungen betroffen sind.
Die Erklärung ist hier zu finden.

Erste Reaktionen:

Laut sächsischem Ministerpräsidenten Michael Kretschmer haben Wissenschaftler den Regierungschefs empfohlen, die Kontakte um 75 Prozent zu reduzieren. »Für Sachsen sei immer klar gewesen, dass Schulen und Kitas offen bleiben«, so Kretschmer. »Die Kulturkreise, die Gastronomie und viele andere Bereiche haben meine größte Achtung für die Anstrengungen, die sie in den vergangenen Monaten unternommen haben.« (Quelle: MDR Sachsen)

Nach Einschätzung des Handelsverbands Deutschland (HDE) kommen die Maßnahmen einem Lockdown gleich. Zwar dürften die Geschäfte geöffnet bleiben, erklärte der Verband, »aber es werden voraussichtlich nur wenige Kunden den Weg in die Stadtzentren finden« (ARD)

Der Bundesverband Groß- und Außenhandel (BGA) kritisierte die Schließungen der Gastronomie als »völlig unangemessen«. Für viele mittelständischen Betriebe könne das in der jetzigen Lage den Todesstoß bedeuten, sagte BGA-Präsident Anton Börner. (ARD)

Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) sieht den Bund in der Pflicht, bei weiteren Einschränkungen in der Corona-Pandemie Firmen und Kulturbetrieben finanzielle Entschädigungen zu gewähren. »Das schließt eine finanzielle Unterstützung für Soloselbstständige ein«. (dpa)

Mehrere Kulturverbände kritisierten die geplanten Schließungen von Kinos, Theatern oder Opern. »Wir haben überhaupt kein Verständnis mehr für das ständige Auf und Ab der ergriffenen Maßnahmen«, teilte der Hauptverband Deutscher Filmtheater (HDF Kino) mit. Seit Monaten arbeiteten die Kinos mit detaillierten Sicherheitskonzepten, großen Räumen, modernen Belüftungsanlagen und einer geringeren Auslastung. Kinos übernähmen eine große Verantwortung für ihre Besucher, dennoch nütze ihnen das nichts. »Wir sind fassungslos«, teilte HDF-Vorstand Christine Berg mit. (ARD)

Es gebe bisher »keine gemeldeten Fälle von Museen als Infektions-Hotspots«, hatte etwa der Deutsche Museumsbund vor den Beratungen mitgeteilt. Ähnlich argumentieren die Kinoverbände, die Deutsche Orchestervereinigung, der Deutsche Bühnenverein und die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft SPIO. (ARD)

Kulturstaatsministerin Monika Grütters forderte ein Hilfspaket für die Kultur- und Veranstaltungsbranche. »Es geht für die Branche um Leben und Tod. Die Künstler und Kreativen haben sich in der ganzen Krise ungeheuer fair verhalten, obwohl es an ihren Lebensnerv geht«, sagte sie gegenüber Bild. Sie erwarte, dass die Branche nun dieselben Hilfen bekomme, wie sie der Gastronomie zugesagt worden seien.

Bei allem Verständnis für die notwendigen Maßnahmen sehen Die Grünen »ein nicht zu vernachlässigendes Problem in der Akzeptanz der Bevölkerung für die schweren Einschnitte durch die neuen Coroanbestimmungen des Bundes«, sagte Fraktionsvorsitzende Franziska Schubert. (MDR)

SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach bezeichnete die Beschlüsse hingegen als einen Sieg der Vernunft. »Die Beschlüsse von heute sind ein großer Erfolg und ein Meilenstein gegen das Coronavirus in Deutschland«, schrieb Lauterbach auf Twitter.

Ein weiterführender Artikel des Redaktionsnetzwerks Deutschland ist hier nachzulesen.