Der Kultursommer in Dresden könnte spannend werden

Die Stadträte Torsten Schulze und Holger Hase im Gespräch zur kulturellen Belebung des Sommers

Es ist, als wäre endlich der Stock aus dem Getriebe des Kulturlebens gezogen worden. Für den Sommer haben sich unterschiedlichste Veranstalter vorgenommen, wieder Kultur in die Stadt und Freude ins Leben zu bringen. Bei vielen der neuen Formate steht die Verpflichtung und damit die Unterstützung der lokalen freien Künstlerinnen und Künstler im Vordergrund. Wie sich dieses Engagement auch für andere Wirtschaftsbereiche und auch in der Zukunft auswirken könnte, darüber hat sich DRESDNER-Herausgeberin Jana Betscher mit den Stadträten Holger Hase, dem kulturpolitischen Sprecher der FDP-Fraktion und Torsten Schulze, dem wirtschaftspolitischen Sprecher der Grünen im Stadtrat unterhalten

Torsten Schulze

Die Kunst- und Kulturstadt Dresden liegt halbwegs in Agonie. Welche Rolle könnte oder sollte die Kultur einnehmen, um dem entgegenzuwirken?

Torsten Schulze: Die Agonie kann ich nur im öffentlichen Raum und durch die geschlossenen Veranstaltungsstätten erleben. Bei vielen Kulturschaffenden erlebe ich ganz viel Kreativität, wie sie mit der derzeitigen Situation umgehen. Das hat angefangen mit den zahlreichen Online-Streamingveranstaltungen und setzt sich jetzt im öffentlichen Raum fort. Ich sehe die vielen Kulturschaffenden als gut vorbereit und als wesentlichen Part bei einer Wiederbelebung unserer Stadt.

Holger Hase: Meiner Meinung nach steht eine lebendige Kulturszene immer für eine lebendige Stadtgesellschaft. Von daher müssen wir alles tun, den Kultursektor, unter den gegebenen Bedingungen, wieder zu beleben. Wenn die Menschen wieder Konzerte, Theater, Ausstellungen etc. besuchen können, wird auch der Optimismus und die Lebensfreunde in unsere Stadt zurückkehren.

Holger Hase

Es sind ja in letzter Zeit eine Reihe von freien und privaten Kulturveranstaltern, zum Beispiel in der Jungen Garde, auf den Plan getreten, um dem Publikum über den Sommer Programm zu bieten. Gibt es über den »Bespaßungsfaktor« hinaus noch weiteren Nutzen für die Stadt?

Torsten Schulze: Es ist erst einmal hoch anzurechnen, dass trotz der Begrenzung der Gästezahlen die Betreiber wieder bereit sind, unter diesen wirtschaftlich schwierigen Bedingungen wieder Konzerte, Filmprogramme und weitere Veranstaltungen anzubieten. Die Synergieeffekte sehe ich für viele andere Bereiche im öffentlichen Leben. Die Menschen bekommen wieder Lust, nach draußen zu gehen, sich in Cafés und Restaurants zu treffen, den einen oder anderen Einkauf zu machen und Museen oder Veranstaltungen zu besuchen.

Holger Hase: Ohne Frage ja. Kultur ist für eine Stadt wie Dresden auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Gerade vor dem Hintergrund, dass in diesem Jahr wahrscheinlich viele Deutsche im Inland Urlaub machen werden, sollten und müssen wir alles dafür tun, dass kulturelle Angebote die Attraktivität des Reiseziels Dresden steigern helfen.

Alle neuen Formate haben auch zum Ziel, die lokalen freien Künstlerinnen und Künstler zu unterstützen. Was kann die Stadt Dresden zur Verbesserung der Lage beitragen?

Torsten Schulze: Neben direkten finanziellen Unterstützungen wäre unter anderem die Ermäßigung oder der Erlass von Gebühren für Veranstaltungen und andere Nutzungen des öffentlichen Raums geeignet. Mit dem Verzicht auf Gebühren für Gastronomie und Einzelhandel haben wir da schon einen ersten Schritt getan. Auch die Förderung von Projekten unabhängig von Antragsfristen und die Auszahlung von Projektgeldern trotz Haushaltssperre ist eine weitere Maßnahme.

Holger Hase: Wichtig wäre, und das trifft nicht nur in Corona-Zeiten zu, dass wir Rahmenbedingungen schaffen, die es der freien Szene ermöglichen, ihr künstlerisches Wirken umzusetzen. Ich denke da vor allem an die Bereitstellung von Infrastruktur, wie etwa Atelier- und Ausstellungsräume. Dies sollte mit einer entsprechenden Förderpolitik hinterlegt werden. Wir beraten im Kulturausschuss gerade über den Kulturentwicklungsplan, der noch dieses Jahr verabschiedet werden soll. Da haben wir jetzt die Möglichkeit, die richtigen kulturpolitischen Weichen für die nächsten Jahre zu stellen.

Die Verhandlungen für den neuen Doppelhaushalt beginnen. Sind die Akteure der Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft bislang ihrer Rolle adäquat berücksichtigt worden? Wie ist die Einschätzung für die Mittelverteilung unter einem mit ziemlicher Sicherheit schrumpfenden Haushalt?

Torsten Schulze: Ich glaube die Investitionen in Menschen ist aktuell wichtiger als in Beton. Da braucht es bei der Aufstellung des kommenden Haushaltes eine Umsteuerung. Das Wirken der Kultur- und Kreativschaffenden trägt entscheidend für die Lebensqualität in unserer Stadt und deren Außenwirkung bei. Allerdings hat sich das bei der Bereitstellung von öffentlichen Mitteln nicht bei allen Akteuren wiedergefunden. Insbesondere die Freie Szene ist damit konfrontiert, weit unter den Honoraruntergrenzen tätig zu sein. Hier braucht es ein Umdenken.

Holger Hase: Wir Kulturpolitiker im Stadtrat sind ständig im Gespräch mit den kulturellen Akteuren in unserer Stadt, um Meinungen und Wünsche abzuholen, die später in konkrete politische Anträge umgesetzt werden können. Uns ist allen klar, dass wir den Gürtel in den nächsten Jahren enger schnallen müssen und zur Sparsamkeit aufgerufen sind. Doch die Frage ist, wie und wo wird gespart? Es gibt da meines Erachtens parteiübergreifend eine große Einigkeit, dass wir trotz des finanziellen Drucks unbedingt verhindern müssen, dass im Kultursektor substanzielle Verluste eintreten.

Wo werden in den kommenden Haushaltsverhandlungen die übergeordneten Prioritäten liegen und wie sieht eine persönliche Liste aus jeweils drei Punkten aus?

Torsten Schulze: Die Erhöhung der Mittel für die institutionelle und Projektförderung in Kultur und Sport, die Förderung von Nachhaltigkeit und eine zukunftsfähige Stadtentwicklung, die an die Klimaveränderung angepasst ist, Radwege und nachhaltiger Tourismus in Dresden. Der Erwerb und die Sanierung der Robotronkantine kann verschoben werden, über den Einsatz von städtischen Mitteln für die Wiedereröffnung des Fernsehturms sollte noch mal grundsätzlich nachgedacht werden, eine Realisierung des neuen Verwaltungszentrums durch ein städtisches Tochterunternehmen ist ernsthaft zu prüfen

Holger Hase: Die Stadt muss zunächst ihre Pflichtaufgaben erfüllen, das ist ganz klar. Bei den freiwilligen Leistungen – und dazu gehört eben auch die Kultur – werden wir um eine Prioritätensetzung nicht herumkommen. Hier sollten Investitionen in Zukunft Vorrang vor kurzfristigen konsumptiven Ausgaben haben, wobei natürlich auch bei den Investitionen verschiedene Dinge auf den Prüfstand gestellt werden müssen und überlegt werden sollte, ob man nicht das eine oder andere Vorhaben über einen längeren Zeitraum strecken kann.

Es scheint sich ja ein wirklich spannender Kultursommer anzubahnen. Wird dies eine Eintagsfliege bleiben, oder wäre ein Sommerkultur-Festival im öffentlichen Raum (analog Greenwich Festival) begrüßenswert?

Torsten Schulze: Eine Belebung des Stadtgebiets, nicht nur der Innenstadt, ist perspektivisch gesehen ein gutes Angebot in den Sommermonaten, um Gäste in die Stadt zu holen und auch für die Dresdnerinnen und Dresdner. Wenn diese Angebote zeitlich nicht in Konkurrenz zu anderen Veranstaltungen wie etwa zur Jungen Garde, dem Palais Sommer oder den Filmnächten stehen, fände ich das sehr überlegenswert. Eine Auswertung des diesjährigen Kultursommers, insbesondere der Kulturinseln, ist daher sehr wichtig, um über eine mögliche Fortsetzung sachlich debattieren zu können.

Holger Hase: Ich hoffe nicht, dass dies eine Eintagsfliege bleibt. Sollte das Format Erfolg haben, sollten wir zügig daran gehen, für eine Fortschreibung über das Jahr 2020 hinaus zu sorgen. Alles was unsere Innenstadt belebt, den Tourismus fördert und die Kulturszene belebt, findet politisch die Unterstützung der Liberalen.

Anmerkung

Das Gespräch mit Holger Hase und Torsten Schulze wurde vor dem Stadtratsbeschuss am 25. Juni zu den Dresdner Kulturinseln 2020 geführt.

Nachtrag

Zum Stadtratsbeschluss vom 25. Juni 2020, die ab 18. Juli stattfindenden Kulturinseln im Stadtgebiet zu erweitern und mit 1 Million Euro auszustatten, äußerte sich Torsten Schulze wie folgt:

»Mit der Aufstockung des Gesamtbudgets auf 1 Million Euro gibt es jetzt die Chance, mehr Veranstaltungsorte insbesondere auf der Neustädter Seite zu kreieren und mehr Kunst- und Kulturschaffenden Auftrittsmöglichkeiten und damit ein Einkommen zu sichern. Die Verantwortung für das Gelingen des Kulturinselsommers ist damit gestiegen und ich wünsche mir, dass alle Akteure zügig und professionell zusammenfinden, um gemeinsam unter einem Dach das Projekt zu einem Erfolg zu machen.«