am 8. Dezember in der Uber Eats Music Hall in Berlin
Heilig’s Blechle. Schlägt man im Duden das Wort »Hochamt« nach, so steht da »feierliche Messe, bei der bestimmte liturgische Texte gesungen werden.« Das passt. Denn auch wenn es am Zweiten Advent bis Weihnachten noch etwas hin ist, versammeln sich an diesem windigen Abend in Berlin Metaljünger aus allen Himmelsrichtungen zum hohen Fest des Thrash.
Die Halle ist früh gefüllt. Bereits kurz nach 18.30 Uhr erklingen die Beastie Boys mit »(You Gotta) Fight for your Right (To Party)« vom Band, dann stehen auch schon Testament auf der Bühne. Frenetischer Beifall und die ersten Töne von »D.N.R. (Do Not Resuscitate)«, ein Song vom 1999 veröffentlichten Album »The Gathering«. Gute Wahl, der Moshpit kommt in Bewegung. Die Metal-Ikonen aus Berkeley, Kalifornien liefern ab und spielen ein mitreißendes Set aus insgesamt zwölf Songs. Feuer, Nebel und Lichtgewitter inklusive. Einziger Wermutstropfen: mit »First Strike Is Deadly« findet nur ein Song von »The Legacy«, dem legendären Debüt der Band den Weg ins Programm. Dem Publikum ist es egal, die Nackenmuskulatur ist aufgewärmt, weiter geht’s mit Anthrax.
Die kommen erstmal gar nicht, sondern lassen andere für sich, oder besser über sie sprechen. Vor der Bühne hängt jetzt ein großer Vorhang, auf den kurze Interviewschnipsel projiziert werden. Der Inhalt: ausnahmslos Statements voll des Lobes, wie cool und einflussreich Anthrax doch sind. Da sieht man Ikonen wie Paul Stanley von Kiss, Lady Gaga, Keanu Reeves, Corey Taylor von Slipknot oder auch Stephen King inklusive Pommesgabel-Gruß vor der Kamera, um die Band aus New York City gebührend zu würdigen. »Cringe« würde wohl mein Teenagersohn zu so was sagen, der ist ja aber gar nicht mitgekommen. Die anwesenden Metalheads jedenfalls feiern die Lobhudelei lautstark ab und recken zu jedem neuen Einspieler anerkennend das Bier in die Höhe.
Der Vorhang fällt, Anthrax legen los und schnell wird klar: Die Band um Sänger Joey Belladonna und Gitarrist Scott Ian hat keine Mühe, einen Raum voller Metalfans in Wallung zu bringen. Die energetische Show des Quintetts springt schnell aufs Publikum über. Thrash-Metal-Deluxe! Kaum zu glauben, dass hier eine Band mit über vier Jahrzehnten auf dem Buckel gerade die Halle einreißt. Das ist großes Kino und mit Klassikern wie »Caught in a Mosh« und »I Am The Law« vom 1986er-Album »Among The Living«, Überhymnen wie »Be All, End All«, sowie das Trust-Cover »Antisocial« wohl der vertonte Wunschzettel aller Anwesenden. Harte Riffs, hartes Kopfschütteln, harte Party. Ein Abend in Fahrt! Hell Yeah!
Kurz Durchatmen, Bier holen, die Mähne ordnen und weiter gehts mit Kreator. Schonmal vorweggenommen: Auf ihren Social-Media-Accounts wird die Band im Anschluss über diesen Abend schreiben: »Berlin, gestern Abend. Das war definitiv das bislang beste Konzert in der Hauptstadt, das wir je gespielt haben!« Zurecht? Definitiv.
Die Bühne gleicht nun einem Hort des Bösen. Gehörnte, Gehängte, apokalyptische Szenerien. Mitten drin die Band und Frontmann Mille Petrozza, der dem Publikum gleich mit dem ersten Song »Hate über Alles« um die Ohren haut. Der Ton ist gesetzt. Grandios, und so spielt sich die Essener Thrash-Metal Legende durch ein ganz wunderbar brachiales Set, das gleich an zweiter Stelle den Klassiker »Phobia« vom 1997er-Album »Outcast« in petto hat und auch ansonsten mit Stücken wie »Satan Is Real«, »Violent Revolution« oder »Hail to the Hordes« vorweihnachtlicher Besinnlichkeit den ausgestreckten Mittelfinger entgegenhält.
Vor ein paar Jahren konnte ich Mille im Interview fragen, in welchem Kontext »Hail to the Hordes« eigentlich entstanden ist. Seine Antwort: »Wir touren auf der ganzen Welt und spielen in Ecken, von denen ich mir nie hätte träumen lassen, dass ich da jemals hinkomme, geschweige denn live spiele. Egal wo man Musik- oder Metalfans trifft, man hat gleich eine Verbindung – obwohl man die Menschen gar nicht kennt, sie manchmal aus völlig unterschiedlichen, kulturellen Zusammenhängen stammen und in Systemen leben, die dem in welchem wir aufgewachsen sind, völlig unähnlich sind. Trotzdem verbindet einen die Musik. Dies unpathetisch in einfache Worte zu fassen ohne das es albern wird, war meine Herausforderung bei ›Hail to the Hordes‹«.
Mission geglückt, auch und ganz besonders an diesem windigen Abend in Berlin, als sich die Horden unweit der Spree trafen, um gemeinsam ein wirklich ordentliches Hochamt des Thrash Metals zu zelebrieren. Daumen hoch!
M.Hufnagl