Ein Selfie im Orkan

Die neue Sonderausstellung im Hygiene-Museum »Luft. Eine für alle«

Mit jedem Atemzug nehmen wir rund einen halben Liter von ihr auf und stoßen ihn wieder aus: Luft ist uns Himmel und Hülle, ohne sie könnten wir nicht sein. Luft ist unsichtbar, formlos, flüchtig. Und ein überlebensnotwendiges Gemeingut, das seit dem industriellen Zeitalter durch Verschmutzung gefährdet ist.

Im Foyer der neuen Sonderausstellung stehen wir zunächst vor einem Luftarchiv. Über 200 Menschen haben dafür Luftproben eingefangen, die sie für besonders hielten. Obwohl die Inhalte der Gläser gleich aussehen, unterscheiden sich die Proben stark voneinander. So ist die Luft vom Polarkreis natürlich nicht dieselbe wie aus dem Restaurant einer Großstadt. Die in drei Kapitel-Räume unterteilte Luftausstellung im Hygiene-Museum nimmt die unterschiedlichen Wahrnehmungen zum Anlass, Luft über seine rein physikalischen Eigenschaften hinaus als einen »lokal und planetar wirksamen Sozialraum« zu untersuchen. Verdeutlichen soll das der Nebelfänger – eine Vorrichtung, mit der in niederschlagsarmen Weltregionen Wasser aus der Luft gefiltert werden kann, während in einem Museum eine Klimaanlage die Entfeuchtung übernimmt – als Leitmotiv und großformatige Projektionsfläche für unterschiedliche Luftphänomene und -bewegungen.

Ein Blick in die Ausstellung, Foto: Heinz K.

Und so wandeln wir zwischen Exponaten und Modellen früherer und heutiger naturwissenschaftlicher Experimente und zahlreichen künstlerischen Interventionen in Form von multimedialen Installationen. Davon prägt sich manches ein. Ein Vogelkäfig mit Sauerstoffzylinder etwa, der im Bergbau eingesetzt wurde, um vor schädlichen Gasgemischen zu warnen. Hörte der Kanarienvogel auf zu singen, brachten sich die Bergleute umgehend in Sicherheit.

Das Modell der Biosphäre 2, Foto: Heinz K.

Zu den raumgreifenden Exponaten gehört ein Modell der Biosphäre 2. Anfang der 1990er Jahre fand in der Wüste von Arizona ein einzigartiges Experiment statt: Auf 1,6 Hektar entstand eine autarke Miniatur-Biosphäre mit einem sich selbst erhaltenden Ökosystem. Acht Menschen waren dort für zwei Jahre eingeschlossen, um die Stoffkreisläufe der künstlichen Welt zu studieren und zu überwachen. Die Erkenntnisse sollten für künftige Weltraumkolonien genutzt werden. Das Experiment scheiterte übrigens, da im zweiten Jahr Sauerstoff von außen zugeführt werden musste.

Spielerischer Zugang zum Thema erfolgt durch zahlreiche interaktive Elemente, wie etwa der Vibro-Walk, der es ermöglicht, CO2-Werte in der unmittelbaren Umgebung zu messen und durch Vibration erlebbar zu machen. Die Installation »Frischer Wind gefällig?« in der eine Turbine verbaut ist, mithilfe derer Selfies bis Windstärke 12 erstellt werden können, wird sich gewiss reger Nachfrage erfreuen. Eine hübsche Spielerei mit dem Element Luft. Und am Ende der lehrreichen Ausstellung können die Besucher ihren »ökologischen Handabdruck« in Form von eigenen Ideen hinterlassen.

Und damit bei »Luft. Eine für alle« am Ende nicht nur heiße Luft herauskommt, gibt es einen Podcast und ein umfangreiches Begleitprogramm, das am 27. November startete und am 14. Januar mit einem Impulsvortrag und Publikumsgespräch weitergeht. Ohnehin ist Luft ein Thema, das uns garantiert noch lange beschäftigen wird.

Heinz K.

Feedback erwünscht, Foto: Heinz K.

»Luft. Eine für alle« ist bis 10. August 2025 im Hygiene-Museum zu sehen; mehr unter dhmd.de/ausstellungen/luft. Der Podcast »Das Luftschloss« ist zu hören unter: podcast.dhmd.de/