The Kills

am 7. Mai 2024 in der Columbiahalle in Berlin.

Schlägt man im Duden das Wort »cool« nach, dann steht da: »[stets] die Ruhe bewahrend, keine Angst habend, nicht nervös [werdend], sich nicht aus der Fassung bringen lassend; kühl und lässig, gelassen«. Das trifft es gut. Schließlich ist das, was Alison Mosshart und Jamie Hince an diesem Abend auf die Bühne zaubern, wunderschön abgeklärt, ohne leidenschaftslos zu wirken, spektakulär, ohne übertrieben zu sein.

Jamie Hince; Foto: Matthias Hufnagl

Als das Duo im Anschluss an den grandiosen Supportact, den New Yorker Baba Ali, gegen 21 Uhr auf die Bühne kommt, ist die Marschrichtung schnell klar. »Kissy Kissy« vom 2003er-Album »Keep on Your Mean Side«, »U.R.A. Fever« der 2008er-Platte »Midnight Boom« und »Love and Tenderness« von der aktuellen Scheibe »God Games« heißen die vorderen drei Stücke des Sets. Der erste Eindruck einer außergewöhnlichen Werkschau, wie sie das Publikum ab da für insgesamt 21 Songs geboten bekommt. Sieben Jahre waren seit der letzten Platte vergangen. Eine Zeit, in der das Duo pausiert hat, schmerzlich vermisst von den Fans. An diesem Abend in Berlin aber ist das Schnee von gestern. Heute zelebrieren The Kills nicht nur ihren Katalog und die neue Platte, sondern spürbar auch eine starke Freundschaft. Das macht Bock und elektrisiert. Dementsprechend frenetisch feiert das Hauptstadtpublikum jede Note, jeden wild daherkommenden Haarwurf von Mosshart und jede noch so smoothe Geste von Hince an der Gitarre. Großes Kino? Geht genau so.

Alison Mosshart; Foto: Matthias Hufnagl

In den Nullerjahren waren The Kills lange der heiße Scheiß. Ein bisschen wie Jack und Meg White und später auch die Blood Red Shoes – nur gefährlicher und in ihrem Minimalismus oft sehr viel dunkler. Die Zeiten ändern sich, der Vibe bleibt. Auch wenn die Stücke der neuen Platte deutlich opulenter daherkommen, ist es noch genau dieser Spirit einer magischen Nacht – betrunken, glücklich, mit engen Jeans und dunklen Gläsern auf den Großstadtstraßen dieser Welt. Nostalgie fürs Hier und Jetzt.

Mein persönlicher Lieblingssong der neuen Platte, »New York« findet seinen Platz an diesem Abend direkt im Anschluss an den 2011er-Überhit »Baby Says«. Da hat sich eine volle Columbiahalle längst eingefeiert, und der Abend ist noch nicht mal zur Hälfte vorbei. In dem Stück singt Alison Mosshart die Zeilen: »You taste just like New York / Before a storm takes hold.« Der Sturm ist längst da und so fegt Mossharts Stimme, getragen vom harten Gitarrenschlag, hinauf zum Balkon und wieder zurück aufs Parkett. Kurz überlege ich, als Zeichen der tiefen Anerkennung meinen halbvollen Bierbecher wie früher nach vorne zu werfen, entscheide mich dann aber doch fürs Austrinken und schreie mir die Freude über diesen Abend durch lautstarkes Mitsingen von der Brust. Vielleicht sollte man den Duden beim Wörtchen »cool« um ein Synonym erweitern. The Kills würde da gut passen. Was für ein Konzert!

Matthias Hufnagl

The Kills starten ihre Sommertour am 7. August in Oslo. Mehr zur Band: www.thekills.tv/