Warum es sich lohnt, den vermutlich erfolgreichsten Film des Jahres im Kino zu sehen
Wochen nach dem Kinostart sind wir alle schlauer. Wer zuvor noch gedachte hatte, es mit einem kitschigen Kleine-Mädchen-Film (nicht) zu tun zu haben, wird entweder den Glauben an seine Mitmenschen verloren haben und die Kulturindustrie abermals schelten oder aber doch die eigenen Vorurteile erkannt haben.

Nicht nur hat der Film über 1 Milliarde Dollar an den Kinokassen eingespielt und damit den einen oder anderen Rekord gebrochen (passenderweise auch den des erfolgreichsten Films mit einer weiblichen Regisseurin). »Barbie« wird auch gesellschaftlich und diskursiv verhandelt, Feuilletons nehmen ihn ernst und sezieren ihn anhand seiner Symboliken und Botschaften. Nicht nur ist es ein feministischer Film, sondern auch ein Film über den Feminismus. Und als wäre das nicht genug, spielt mit Hari Nef auch noch eine Trans-Frau mit. Dass das rechtskonservative Feminismus-Hasser wie Ben Shapiro auf den Plan ruft und sie Barbie-Puppen vor laufender Kamera anzünden und in den Müll schmeißen, da es ja ohnehin nur »woker bullshit« sei, dürfte im Kostenvoranschlag einkalkuliert gewesen sein. Der Film bleibt damit alle Male im Geschäft.
Wer in die Kinos geht, fernab der rein medial-vermittelten Sphäre, kann sich aber auch ein eigenes Bild des Phänomens »Barbie« machen: Da stehen neben den cosplay-artig, mädchenhaft und pink gedressten Frauen auch Männer in schwarzem Aufzug und langem Pferdeschwanz, die aussehen wie nur eben aus der nächsten Metal-Bar davon gestohlen. Da kommen Familien vorbei, die ihren Kindern nur einen Gefallen tun wollen und im Nachhinein heiter überrascht noch einen Rosé bestellen. Manche kommen bereits zum siebten, achten Mal, andere werden eher widerwillig mitgeschleift und tun es als »ironisches Gucken« ab.
Es wird dann aber auch viel geredet. Ahnungslose (die scheinbar keine Zeitung lesen) sprechen noch immer von einem »Mädchenfilm«, tatsächliche junge Mädchen gehen enttäuscht heraus. Andere sehen in ihm das »subversive Moment«, das die Gesellschaft unterschwellig erzieht. Wieder andere (Männer) fühlen sich angegriffen und herabgewürdigt. Klar ist: Barbie geht durch alle Schichten und Altersklassen. Ein Fünkchen Nostalgie, ein bisschen Neugier und das Verlangen mitreden zu können, reichen, um mit U-Booten und ausgebüxten Löwen zu konkurrieren.
Philipp Mantze
Barbie von Greta Gerwig läuft derzeit noch in allen relevanten Kinos. Auch im Nanoplex Thalia, wo der Autor, nebenbei bemerkt, auch nebenher arbeitet.