Gustav Sonntag im Gespräch zu seiner dreiteiligen Ausstellung »Kult zu Rausch«
Gustav Sonntag, ehemals Feliks Stift, schloss im Sommer diesen Jahres sein Studium an der Hochschule für Graphik und Buchkunst (HGB) Leipzig ab und ist Jahrgang 1993. Der gebürtige Berliner studierte seit 2015 in der Klasse von Christoph Ruckhäberle. Zur Abschlusspräsentation kam der Dresdner Galerist Holger John vorbei, der den Absolventen nach Dresden einlud. Die dreiteilige Ausstellung »Kult zu Rausch – Überwindung der Neuen Leipziger Schule« beeindruckt unter anderem durch die Fülle an Werken, die in kurzer Zeit entstanden sind. Wie schafft es der Maler, solch eine Menge an Arbeiten zu produzieren? Welche Inhalte dienen ihm als Bildgegenstand und liegen dem aktuellen Werkzyklus zugrunde? DRESDNER-Autorin Jenny Mehlhorn hat Gustav Sonntag exklusiv im Zuge seiner großen Solo-Ausstellung dazu befragt.
Deine Bilder entstehen aus Vorlagen von Analogfotos. Gibt es Szenen, die du besonders gerne abbildest? Welche sind das – oder darauf aufbauend: Welche Motive interessieren dich nicht?
Gustav Sonntag: Ich hab ein großes Archiv, wo ich aussiebe und die Motive, die ich kompositorisch spannend finde, heraussuche, etwas was mich meist emotional berührt; seien es Menschen die ums Überleben kämpfen, Obdachlose, Flaschensammler und das im Kontrast zu Fotos, die ich zu Partys, im Club oder in meinen Alltag mache. Und die stelle ich dann manchmal nebeneinander, um die Kluft von lockeren Partys, Leichtsinn, Konsum gegen die Abgründe, die sich im Rausch auftun, aufzuzeigen und um den Blick zu schärfen – auch für Leute, die in der Feier- und Sprüherszene sind, zu alarmieren und vor Gefahren zu warnen. Auch um Empathie zu generieren, und dass Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben, eine Bühne bekommen. Mit dem Thema Sozialvoyeurismus habe ich mich auch in meiner Diplomarbeit beschäftigt, was es bedeutet, Obdachlose in der Kunst abzubilden. Ich finde dadurch kann Empathie geschaffen werden, indem die Leute darüber sprechen und Fragen aufgeworfen werden.
Ich habe beschlossen, 5 Prozent des Erlöses von jedem verkauften Bild an die Bahnhofsmission in Leipzig und Berlin zu spenden, damit die Kunst direkt eine Wirkung hat und bedürftige Menschen dort direkt versorgt werden.
Natur oder Landschaften zu malen – das hat für mich keinen Reiz. Mich interessieren eher ungewöhnliche Situationen, das Ungewöhnliche in vermeintlich gewöhnlichen Situationen. Situationen, die simpel und unscheinbar erscheinen, wo aber die Brücke zum Bildtitel eine ganz andere Ebene öffnet, indem sich Verbindungen zeigen und neue Dinge erschließen oder in eine ganz andere Richtung gehen.
Wie lange malst du an den großformatigen Arbeiten? Im Ausstellungskatalog ist erwähnt, dass du im Studium an die 30 Stück im Monat gemalt hast. Wie gestaltet sich das jetzt nach dem Studium, produzierst du gerade immer noch so viel?
Gustav Sonntag: Wenn ich anfange zu malen, also wenn ich in meiner produktiven Phase bin, dann power ich mich extrem aus. An einem Tag fange ich etwa mit drei Bildern an und am nächsten Tag entstehen noch einmal zwei Bilder. Ich arbeite dann nicht die ganze Zeit an einem, sondern an mehreren gleichzeitig. Und da ich auf unaufgespannter Leinwand male, die Leinwand so wie sie ist an meine Wand tackere und davon drei habe, verschiebe ich diese dann hin und her, lege sie auf den Boden oder spanne sie zum Trocknen auf Seile. Und während eins trocknet, arbeite ich an einem anderen weiter. Jetzt, nach der Ausstellung habe ich eine Woche gar nicht gemalt, da ich mich davor extrem ausgepowert habe und eigentlich Tag und Nacht gearbeitet habe.
Den Scheuklappen-Opus (Anm. d. Red. im Alcatraz im Kraftwerk-Mitte zu sehen) habe ich nach dem Studium angefangen, in den letzten zwei Monaten vor der Ausstellung, das waren ca. 60 Stück, die ich gemalt habe. Da habe ich jeden Tag sechs Bilder angefangen, bis ich irgendwann 60 Stück zusammen hatte. Danach habe ich mir alle nochmal vorgenommen und sie überarbeitet. Da ich an vielen Bildern gleichzeitig arbeite, muss nicht jedes kleine Detail stimmen, sondern mir ist wichtig, dass ich erst einmal eine Atmosphäre schaffe. Dass ich schaue, was für Farben erfrischend sind, welche farblichen Flächen wirken wie auf kleine Strukturen. Durch das kleine Format habe ich auch wieder Neues ausprobiert, weil ich davor lange groß gemalt habe. Der Opus war etwas zum Ausprobieren, indem ich auf vorgrundierter Leinwand male und schaue, wie dort die Farben wirken.
Vielen Dank für das Gespräch!
Gustav Sonntags »Kult zu Rausch – Überwindung der Neuen Leipziger Schule« ist noch bis zum 4. Dezember in drei Ausstellungsorten in Dresden zu sehen: im Penck-Hotel (Sa + So, 12-22 Uhr), im Alcatraz im Kraftwerk Mitte (Fr + Sa, 14-19 Uhr) und in der Galerie Holger John (Di-So, 14-19 Uhr).