Kühlen Kopf bewahren?

Hellerau stellt mit dem Festival »Claiming Common Spaces IV: Cool Down« die Klimakrise in den Mittelpunkt

Kunst ist nicht nur kritisch. Kunst will und darf auch politisch sein. Und sie darf vor allem vor keinem menschlichen Lebensbereich halt machen. Wie sich klimarelevante Herausforderungen künstlerisch thematisieren lassen und welche Ausdrucksformen hier möglich sind, dem geht das Europäische Zentrum Hellerau mit dem Festival »Claiming Common Spaces IV: Cool Down« direkt mitten in die bohrenden Fragen, ohne dabei irgend etwas überhitzen zu wollen. Cool down, nur keine Aufregung. Ein klarer Blick ist gefragt, wenn wir uns mit der Zukunft auseinandersetzen wollen.

Natürlich sind da, allem voran, emotionale Regungen. Unsicherheiten, das Gefühl der Überforderung und Angst werden bei einem Blick in die Zukunft unseres Planeten und unserer Lebensgrundlage unmittelbar spürbar. An dieser Stelle hakt der in Burkina Faso geborene Choreograf Serge Aimé Coulibaly ein, der mit seiner bereits in vielen europäischen Städten bejubelten Arbeit »Wakatt« gegen Ende des Festivals im Juli den Höhepunkt liefern wird. Die Angst in diesem Stück ist die Angst vor dem Unbekannten, dem Fremden, aber auch dem Nicht-Greifbaren und Ungewissen.

Vorher aber schon bläst ein ordentlicher Wind den Performern von Cie. Maguy Marin aus Frankreich um die Ohren, im Wortsinn. In ihrer Arbeit »Umwelt«, die den Auftakt des Festivals bildet, herrscht ein solcher Sturm auf der Bühne, dass die Dringlichkeit der Problematik geradezu unmittelbar sichtbar wird.

Nur ist auch ein Sturm nicht in der Lage, die Vergangenheit einfach so wegzublasen. Diese Vergangenheit, oder besser deren Auswirkungen greift die Filmperformance »Zvizdal [Chernobyl – So far, so close]« der belgischen Gruppe Berlin auf. Stichwort: Tschernobyl. Im Mittelpunkt stehen hier Nadia und Pétro, ein Ehepaar, das sich 1986 geweigert hat, die Todeszone um das zerstörte Atomkraftwerk herum zu verlassen.

Ganz nebenbei ist es aber auch nicht falsch, sich ein ökologisches Paradies zu erträumen. Das schaffen Anima(l)[us]/Rosalind Masson mit ihrer durational Performance »Occupying Eden«. Und ein Kinderstück steht ebenfalls auf dem Programm.

Der Austausch über die Umweltproblematiken sollte auch im direkten Gespräch erfolgen. Das wird beispielsweise in der »home made climate conference« im Garten hinter dem Festspielhaus möglich sein. Ebenso wie beim Klimafest am 9. Juli, in dessen Vorfeld vom 5. bis 8. Juli drei Interventionen an verschiedenen Plätzen in Dresden stattfinden, so in der Innenstadt, in Altpieschen, auf der Bürgerwiese und auf dem Markt Hellerau.
Rico Stehfest

»Claiming Common Spaces IV: Cool Down« vom 1. bis 9. Juli im Festspielhaus Hellerau und an weiteren Orten im Stadtraum. Das komplette Programm gibt’s im timer und unter hellerau.org