Die Jekkes kommen

Die 25. Jüdische Woche Dresden feiert 1700 Jahre jüdische Kultur und die Jekkes-Kultur

Wenn die »Jekkes« kommen, dann sind damit jene jüdischen Personen gemeint, die typische und oftmals negativ konnotierte Eigenheiten der deutschen Kultur mitbringen. Dazu gehören Überheblichkeit, übertriebene Korrektheit und Gründlichkeit und das Phänomen der mangelnden Anpassung, was ungewohnte kulturelle Gegebenheiten betrifft. Früher war der Begriff ein Schimpfwort, heute eine positiv konnotierte Selbstbezeichnung, und dieser kulturelle Zweig steht auch im Mittelpunkt der diesjährigen Festivalwoche. Dazu feiert das Festival zusätzlich 1700 Jahre jüdische Kultur in Deutschland, denn es wurde von der Forschung nachgewiesen und in Funden dokumentiert, dass jüdisches Leben im deutschsprachigen Raum bereits seit dem Jahr 321 gepflegt wurde. Bis heute sind zahlreiche bekannte Persönlichkeiten in jüdischen Familien aufgewachsen oder gehören der jüdischen Glaubensrichtung an. Karl Marx‘ Großväter waren zum Beispiel beide Rabbiner, sein Vater konvertierte aber zum protestantischen Christentum, weil er als Jude seinen Beruf als Rechtsanwalt nicht ausüben durfte. Deshalb ist Marx auch evangelisch getauft worden.

Im Mittelpunkt des Festivals steht als »artist in residence« Frank London. Den US-Amerikaner wird man als Besucher der Jüdischen Woche höchstwahrscheinlich begegnen, denn er ist unter anderem mit der Dresdner Banda Comunale, in öffentlichen Workshops mit dem sozialen Musikprojekt Musaik e. V. und dem Gymnasium der Kreuzkirche sowie im Konzert zur Festivaleröffnung mit dem Nigunim Trio, einer Weltpremiere (Musik- und Tanzimprovisation zum Leben von Valeska Gert) und weiteren Auftritten zu erleben. London ist Grammy-Preisträger, kommt ursprünglich aus dem Rock’n’Roll, ist aber seit Jahren in der Klezmer-Szene und in der Weltmusik verortet. Er verfolgt mehrere Musikprojekte und ist nebenher auch immer wieder solo unterwegs.

Frank London

Den örtlichen Mittelpunkt bildet das Societaetstheater, denn hier spielt sich der Großteil der Veranstaltungen ab. Dort wird es in den ersten drei Oktobertagen unter dem Titel »Home/Invasion« jüdische Künstler aus Theater, Musik und Tanz einbeziehen und Bühnenstücke, Gespräche und Workshops anbieten. Darunter ist auch die Ausstellung »Lesbisch. Jüdisch. Schwul«, die 24 Biografien von lesbischen Jüdinnen und schwulen Juden zeigt, die im 20. Jahrhundert in Kultur und Politik Teil emanzipatorischer Gruppen waren. Vor allem zur Zeit des Nationalsozialismus mussten Menschen mit dieser Doppelstigmatisierung extreme Schicksale erleiden.

Neben den Veranstaltungen im Societaetstheater kann auch an Rundgängen über den Alten und Neuen Jüdischen Friedhof sowie dem Rundgang durch die jüdische Neustadt teilgenommen werden. Eine Einführung in Hebräisch und Jiddisch gibt zudem die Bildungs- und Begegnungsstätte HATiKVA. Wem Kulturaustausch eher durch den Magen geht, dem sei das Gefilte Fest im Hygiene-Museum am 10. Oktober empfohlen, wenn es unter anderem darum geht, dass viele deutsche Speisen eigentlich jüdische Wurzeln haben. Und so stellt man am Ende des Tages wieder fest, dass alles ein Geben und Nehmen ist.

Jenny Mehlhorn

Die Jüdische Woche Dresden findet vom 30. September bis 10. Oktober im Societaetstheater und weiteren Orten statt; Programm, Tickets und mehr unter juedische-woche-dresden.de