»«Eine Gefahr für die Veranstaltungswirtschaft ist, dass uns schlichtweg das Fachpersonal abhanden kommt«

Clubbetreiber Sebastian Gottschall (Strasse E, Reithalle, Bunker) – befragt von Karsten Hoffmann

Sebastian Gottschall

Wie sieht die aktuelle Situation in der Strasse E aus?

Trüb, da wir derzeit keinerlei Veranstaltungen durchführen können und seit März einen totalen Umsatzverlust erleiden.

Gibt es einen Notfallplan und alternative Konzepte? Welche Unternehmungen hast du bisher angestellt?

Es gibt keinen Notfallplan, insofern weiterhin alles untersagt bleibt und man uns keinerlei Spielraum für Alternativen einräumt. Unsere regelmäßigen Konzert- und DJ-Livestreams können uns leider auf Dauer nicht retten.

Gab es denn schon kleinere Gigs unter den aktuellen Auflagen und wie könnte eine sinnvolle Lösung fürVeranstaltungen aussehen?

Nein, da jegliche Form innerhalb geschlossener Räume, egal ob Diskothek oder Konzert untersagt sind, und Begrenzungen auf 50 Personen mit Abstandsregeln wirtschaftlicher Unsinn sind, weil das eben auch mehr Geld kostet, als letztlich die Türen geschlossen zu lassen. Die einzig wirtschaftlich sinnvolle Maßnahme wäre die zumindest teilweise Aufhebung der Maßnahmen, da diese aufgrund der aktuellen sachsenweiten Entwicklung der Infektionszahlen nicht mehr angemessen sind. Das bedeutet Konzerte und auch Diskothekenbetrieb bis zur Besucherzahl X ohne weitere Einschränkungen wie Abstands- oder Maskenpflicht. Es macht keinen Sinn, Sachsen zur keimfreien Zone zu erklären. Dies ist nicht Sinn und Zweck der Schutzmaßnahmen. Als Alternative kann nur eine umfangreiche finanzielle Hilfe in Frage kommen, die nicht Rückzahlungspflichtig ist. Die versprochenen Juni-Maßnahmen der Regierung sind ja vom Umfang her, gelinde gesagt, eine Unverschämtheit. Die meisten Unternehmen in meinem Umfeld würden mit diesen neuen Maßnahmen keine 3 Monate, sondern eher nur einen Monat durchhalten. Die Miet- und Unterhaltskosten in der Veranstaltungswirtschaft sind nicht zu unterschätzen. Leider begrenzt die Regierung die Hilfsmaßnahmen weiterhin anhand der Anzahl der Mitarbeiter, was aber finanziell im Veranstaltungsgewerbe weniger Einfluss auf die Gesamtkosten hat. Ein weiteres Problem wird sein, das auf lange Sicht der Veranstaltungswirtschaft Ton-, Licht- und sonstige Mitarbeiter wegbrechen werden, ebenso wie selbstständiges Gastro-Personal. Da Soloselbständige keinerlei Existenzhilfen bekommen und auf Harz 4 angewiesen sind, wovon sie ihren Lebensstandard nicht finanzieren können, werden sich viele dieser Freischaffenden beruflich umorientieren. Mir sind diesbezüglich bereits Fälle bekannt. Dies stellt ebenfalls eine Gefahr für die Veranstaltungswirtschaft dar, da uns schlichtweg das Fachpersonal abhanden kommt.

Was wäre dein Wunsch an die Politik?

Die Scheuklappentaktik gegenüber der Veranstaltungswirtschaft und den Soloselbständigen abnehmen und sich auf kompetente Weise mit den realen Problemen auseinanderzusetzen. Pauschalisierte Hilfen ohne Betrachtung der wirklichen Notwendigkeit finanzieller Hilfen wird das Überleben der Veranstaltungswirtschaft nicht sichern. 2,3 Millionen Selbstständige und deren privaten Unterhalt komplett zu ignorieren, stößt bei mir auf komplettes Unverständnis. Dies als Wunsch zu formulieren, wäre nicht angemessen. Direkte Hilfen sollten hier eine Selbstverständlichkeit sein.