»Mir ist wichtig, Künstler zu ermutigen und Programme zu entwickeln, damit sie eben auch durch diese Zeit kommen«

Björn Reinemer, Veranstalter im Musik- und Literaturbereich (Dynamite Konzerte, Voland und Quist, XJAZZ Edition Radebeul) – befragt von Heinz K.

Wie gehen denn nach deiner Erfahrung die Künstler mit der Krise um?

Ziemlich unterschiedlich. Bei Dynamite ist es so, dass wir viel mit internationalen Acts zusammenarbeiten, etwa aus Kanada, Polen oder Mexiko. Jedes Land reagiert anders auf die Krise und steht auch unterschiedlich zu seinen Künstlern. Gerade in Kanada gibt es viel positives Feedback und Programme vom Staat. Bei den Künstlern aus der Region ist es so, dass viele ohnehin schon nebenher Einzelunterricht gegeben haben. Da geht jetzt viel online. Manche haben, je nach Bundesland, Hilfen bekommen, einzelne Länder wie Berlin haben auch wirksame Soforthilfen für die Künstler eingestellt; da kenne ich einige, die es relativ schnell bekommen haben und erst einmal abgesichert sind bis zum Herbst. Ansonsten gibt es bei uns auch Künstler, die Rücklagen gebildet haben und nun daraus schöpfen. Im Literaturbereich ist es so, dass ja weiterhin Bücher gekauft werden und so der Absatz erhalten bleibt. Der von der Lesebühne herkommende Ahne zum Beispiel, den ich seit vielen Jahren betreue, war vor der Krise digital kaum präsent. Ahne hat bis heute kein Handy und ausgerechnet in dieser Zeit ist er derjenige, der mit zu den Aktivsten bei social media und Streaming zählt.

Björn Reinemer, Copyright Foto: Felix Weiß

Was ist dein Plan B für die veranstaltungsfreie Zeit?

Ich denke da an ein Open Air, bei dem man sich auch körperlich betätigen darf, indem man mit dem Fahrrad fährt oder wandert. Die Teilnehmenden wissen nicht, wo es hingeht und was genau sie dort erwartet. Mit der »Fahrradkultour« (Anm. d. Redaktion: die erste Fahrradkultour findet am 3. Juni statt) wollen wir in Picknickatmosphäre (mit gebührendem Abstand) ein solches Kulturerlebnis bieten.

Was Indoor-Konzerte anbelangt, da ist erst einmal nichts angedacht. Da muss man sehen, ob man dann Akzente in den jeweiligen Clubs durch gezielte und nachhaltige Streaming-Formate setzt, bei denen sowohl die Clubs als auch die Künstler etwas davon haben. Ich denke jetzt nicht über den September hinaus und wenn es so kommt, dass danach weiterhin nur sehr eingeschränkt Veranstaltungen möglich sind, muss man eben auch Wege finden. Als positiven Effekt sehe ich die Vernetzung, dass wir zusammenstehen und Konzepte entwickeln, wie man auch in der Breite überlebt. Es hängen ja alle an einer Kette – bis hin zu euch. Also, den Mut nicht verlieren und kreativ bleiben!

Was wäre jetzt aus deiner Sicht am dringendsten notwendig?

Kurzfristig wäre wichtig, eine konkrete Vorgabe und Anzahl von Besuchern für Außenveranstaltungen zu bekommen, sodass man nicht für jede Veranstaltung einen Antrag stellen muss – sofern man denn die Hygiene- und Abstandsregeln einhalten kann. Also ein zeitlicher Rahmen bis Ende August und klare Vorgaben wären schon sehr hilfreich. Perspektivisch wäre mir noch wichtig zu erfahren, ob wieder etwas für Kinder möglich ist und welche Angebote man hier machen kann.

Hast du da konkret etwas vor Augen?

Im Kulturbahnhof Radebeul-Ost gibt es in der letzten Woche der Sommerferien eine Workshopwoche mit Musikern, Bildenden Künstlern, Tänzern, und die Kinder können dann innerhalb von zwei Stunden diese künstlerischen Positionen erleben. Wir möchten da nun auch etwas beisteuern, open air mit Puppenspiel und dem Reggaehasen Boooo, und es wäre toll, wenn das dieses Jahr stattfinden könnte.

Wie ist denn deine persönliche Perspektive als Booker und Veranstalter im Musik- und Literaturbereich? Schaust du dich nun nach neuen Feldern um?

Prinzipiell bin ich offen, aber bei mir ist glücklicherweise noch nicht der Punkt erreicht, wo ich wechseln oder mich komplett zurückziehen muss. Es entstehen ja gerade viele neue Vernetzungen, die vielleicht vorher nicht so schnell möglich gewesen wären. Die Künstler, mit denen ich arbeite, sind auch alle bereit, neue Wege zu gehen. Es gibt da eine gewisse positive Spannung, was da noch kommen mag. Was gibt es für Neuheiten, für die man vorher nie Zeit hatte, die man jetzt aber umsetzen kann, sodass auch die Künstler davon profitieren können.

Es ist natürlich sehr schwer für viele freie Künstler, Soloselbständige, wie man so schön sagt, durch die Krise zu kommen. Man muss ja auch irgendwoher Kraft schöpfen und diese Kraft bekommt ein Künstler ja durch Auftritte und Feedback des Publikums. Wenn das alles wegfällt, finde ich es auch schwierig, sich hinzustellen und zu sagen, ihr könnt doch jetzt kreativ werden. Mir ist es wichtig, Künstler zu ermutigen und Programme zu entwickeln, damit sie eben auch durch diese Zeit kommen.