Kultur ist kein Luxus

Ein Zwischenruf von Heinz K.

Hygiene-Regeln, Sicherheitsabstand, Homeoffice – Seit dem Lockdown am 13. März ist nichts mehr wie es war. Und an die neuen Begrifflichkeiten müssen wir uns wohl auch erst gewöhnen, die uns im Zuge der ergriffenen Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus begleiten.

Aktion Stumme Künstler am 13.5.2020 am Dresdner Elbufer, Foto: meeco Communication Services

Seit nunmehr acht Wochen steht das gesellschaftliche Leben still, und auch nach den ersten Lockerungen vom 4. Mai ist nicht an eine unbeschwerte Neuauflage zu denken. Was bedeutet das für eine Kunst- und Kulturstadt? Mindestens bis 31. August sind Großveranstaltungen untersagt, die beiden Dresdner Staatstheater und weitere Theater wie jenes in Bautzen haben ihre Saison bereits vorfristig beenden müssen. Die Politik hangelt sich im zweiwöchigen Rhythmus von Verfügung zu Verfügung. Wirklich planbar ist so eigentlich nichts, denn solange es Kontaktbeschränkungen gibt, ist an normale Veranstaltungen, die ja auch immer ein Gemeinschaftserlebnis sind, nicht zu denken. Es ist kaum vorstellbar, eine Party oder ein Konzert im Clubrahmen mit Mundschutz im gebührenden Sicherheitsabstand zu feiern und für jedes Getränk vor die Tür gehen. Das würde so nicht funktionieren. Die Theater können zudem auch nicht von jetzt auf gleich hochgefahren werden. Sie brauchen Vorlaufzeit und einen neuen Spielplan. Vor allem fehlt die Planungssicherheit, die einen Zeithorizont eröffnet, in dem Veranstaltungen, unter welchen konkreten Bedingungen auch immer, wieder möglich sind. Das ist eine Notwendigkeit, die uns in den dutzenden Interviews, die wir in den letzten Tagen und Wochen geführt haben und weiterhin führen werden, bei allen Gesprächspartnern aus dem Kunst- und Kulturbereich begegnet ist.

Eines ist jetzt schon klar: Digitale Angebote, so gut sie auch sein mögen, können das physische Erlebnis nicht ersetzen. Je länger nun aber das kulturelle Leben brachliegt, umso größer wird der Hilfsbedarf und die Sorge, dass danach, wenn alles wieder hochgefahren werden kann, einigen Kulturträgern – ob privatwirtschaftlich orientiert oder öffentlich gefördert – die Puste ausgegangen ist. So fordern etwa die maßgeblichen Verbände der Musikwirtschaft ein bundesweites Soforthilfepaket von 582,17 Mio. Euro, um wenigstens 10 Prozent des riesigen Schadens, der in der Branche bislang entstanden ist, ersetzt zu bekommen und nicht Insolvenz anmelden zu müssen. Auch die freien Träger haben sich mit einem Hilferuf an die sächsische Landesregierung gewandt und fordern einen Schutzschirm für freie Kulturträger in allen Sparten und für deren Vermittlungspartner von 20 Mio Euro.

Immerhin haben Museen und Galerien wieder geöffnet, und die Not macht erfinderisch. Selbst totgeglaubte Formate wie das Autokino erleben derzeit eine Wiedergeburt. Kultur ist durchaus systemrelevant, »denn Kultur ist kein Luxus, den wir uns leisten oder auch streichen können, sondern der geistige Boden, der unsere eigentliche innere Überlebensfähigkeit sichert.« (Richard von Weizsäcker, 1991). Hoffen wir, dass der Ruf der Kultur nicht ungehört verhallt.

Unter Meinungskultur versammeln wir auf dieser Seite eine ganze Reihe an Stimmen aus der Kunst- und Kulturszene der Stadt. Die Interview-Reihe wird fortgesetzt.