»Da wird kein kulturelles, gemeinschaftliches Erlebnis zugelassen und wirtschaftlich betrachtet ist das Unsinn.«

Rodney Aust, Geschäftsführer Aust Konzerte – befragt von Heinz K.

Rodney Aust

Wie fühlt es sich denn für dich an als Veranstalter, der nicht veranstalten kann?

Flexibles Arbeiten, schnelle Reaktionen und Ideen entwickeln – das alles ist im Moment schwer. Du kannst ja nichts planen, weil du keinen Zeitplan hast, wann wieder etwas passieren könnte. Das fühlt sich momentan etwas pomadig und steif an.

Großveranstaltungen ab tausend Besuchern sind bis 31. August ausgesetzt. Das ist ja nun aber gerade dein Brotjob – Ob im Alten Schlachthof, im Kulturpalast, in der Jungen Garde oder beim Stadtfest. Wie kommst du denn mit Aust Konzerte über den Sommer?

Die Einnahmen sind weggebrochen, seit Mitte März gleich null. Wir versuchen gemeinsam mit den Tournee-Produktionen alle Konzerte stattfinden zu lassen – ob es nun im Herbst oder im nächsten Jahr passiert, das fügt sich jetzt gerade. Mit jedem neuen Beschluss, muss man neu reagieren. Am Anfang haben wir gedacht, vielleicht können wir den Sommer ja noch retten, aber das bleibt uns nun verwehrt. Die Künstler wollen natürlich spielen und alle stehen bereit und scharren mit den Hufen. Eine Ausnahmesituation, wie man es sich hätte nicht vorstellen können. Es bleibt uns nichts anderes übrig als zu überlegen, wie schaffen wir es, durch die Krise zu kommen mit unserer Struktur. Uns ist schon wichtig, genauso weitermachen zu können wie vorher.

Wie viele Leute sind denn an einer großen Konzertproduktion beteiligt – etwa bei Udo Lindenberg, der ja am 6. Juni im Rudolf-Harbig-Stadion aufgetreten wäre?

Im Büro bereiten wir das zu sechst vor und dann brauchen wir eine Anzahl von Helfern und Dienstleistern. Im Stadion kommt eine Crew von drei bis vier Technikern dazu und vor Ort sind es 80 bis 100 Aufbauhelfer für Produktion und Bühne. Für Security und Einlass werden etwa 250 bis 300 Personen benötigt. An solch einer Produktion arbeiten also in Summe schon etwa 500 Leute mit.

Habt ihr für den Sommer einen Plan B entwickelt oder lasst ihr es dann lieber ganz sein?

Aktuell ist nichts planbar. Da muss man abwarten, was die nächste Verordnung besagt. Ein Mensch auf vier Quadratmetern, in anderen Bundesländern ist von einer Person auf zehn Quadratmetern die Rede – das sind für mich Regelungen, die an den Haaren herbeigezogen sind. Da wird kein kulturelles, gemeinschaftliches Erlebnis zugelassen und wirtschaftlich betrachtet ist das Unsinn. Wir können ja nicht für eine Udo-Lindenberg-Karte 700 Euro verlangen und nur 5.000 Leute ins Stadion lassen. Ich glaube, da braucht es noch Zeit, um Konzepte zu entwickeln, die tragfähig sind. Die Situation muss man akzeptieren, aber man sollte sie auch nicht schön reden, indem man die Besucherzahlen drittelt. Denn dann werden Erlebnisse in dieser Form nicht mehr stattfinden können. Aus jeder Krise sollte man gestärkt hervorgehen. Sicherlich auch mit Dingen, die sich erst entwickeln müssen wie ein Hygiene-Konzept (für mich jetzt schon das Wort des Jahres).

Ein Konzerterlebnis mit Sicherheitsabstand ist schwer vorstellbar …

Vielleicht müssen wir das ja auch erst lernen. Die Leute müssten lernen, mehr Geld für ein Ticket auszugeben. Alle anderen Beteiligten, Künstler wie Dienstleister, müssten lernen, mit geringerer finanzieller Beteiligung auszukommen. Viele Dienstleister wiederum haben finanzielle Verpflichtungen, etwa gegenüber ihren PA- und Lichtverleihern. Das kann man nicht einfach innerhalb von drei Monaten zurückdrehen. Die Erträge, die erwirtschaftet würden, wären dann trotz höherer Eintrittspreise geringer. Fans, die sich die Karten dann nicht mehr leisten können, würden ausgeschlossen und dass die Leute in der Dienstleistungsbranche dann nur noch für die Hälfte des Geldes arbeiten, geht allein schon vom Mindestlohn her nicht. Das wird ein schwieriger Prozess. Deshalb scheue ich mich, ganz schnell etwas zu entwickeln.

Wie könnte es denn weitergehen?

Es wäre natürlich schön, wenn eine Planbarkeit möglich ist. Den 31. August nehmen wir als gesetzt. Das heißt, wir konzentrieren uns auf den Herbst, das nächste Frühjahr und den nächsten Sommer zuerst einmal mit sinnvollen Verlegungen. Also, dass man möglichst in der gleichen Spielstätte bleibt und den Leuten das Gefühl gibt – egal welche Entscheidungen noch getroffen werden – dass ihre Karten nicht an Wert verlieren. Die meisten Leute zeigen ja auch Verständnis und bestehen nicht auf Rückzahlung. Wer eine Karte gekauft hat, will den Künstler in der Regel ja nun auch sehen. Ich würde mir etwas mehr Rücksichtnahme wünschen, in dem Sinne, dass man sich nicht krank auf ein Konzert quält, sondern aus Rücksicht auf die anderen Besucher verantwortlich zeigt und dann lieber darauf verzichtet.

Ich glaube, es ist überall angekommen, dass man den kleineren und mittleren Unternehmen unter die Arme greifen muss. Das hat man auch getan. Ich denke aber, dass es für die Kultur- und Musikwirtschaft weitere Hilfsmaßnahmen geben muss, weil die Umsatz-Einbrüche riesig sind. Bereits Ende April haben die maßgeblichen Verbände und Verwertungsgesellschaften der Musikwirtschaft den Hilfsbedarf mit über einer halben Milliarde Euro beziffert.