Robert Schmidt, selbständiger Veranstalter (Booking für die GrooveStation, Blood Service … ) – befragt von Kaddi Cutz
Wie hat dich persönlich die Krise getroffen? Was macht dir die meisten Probleme und wie wirkt sich das auf deinen Alltag aktuell aus?
Ich persönlich bin aktuell auf Kurzarbeit mit null Stunden und habe daher 60 Prozent Einkommen von einem Halbtagsjob, das gerade so reicht, um die laufenden Kosten und das Essen zu bezahlen. Ich halte mich derzeit noch mit kleineren Nebentätigkeiten und geborgtem Geld von Freunden über Wasser. Seit Beginn mache ich Homeoffice und versuche weiterzuarbeiten und nutze die übrige Zeit für Liegengebliebenes. Im Prinzip habe ich mich die ersten vier Wochen physisch nahezu komplett isoliert, mal von der Partnerin und zwei Freunden abgesehen. Skype bot hier und da noch Möglichkeiten, sozialen Austausch aufrechtzuerhalten.
Die meisten Probleme bereitet mir gerade das Aushalten des fehlenden sozialen Kontakts zu meinem Umfeld. Finanziell bin ich eher genügsam und versuche die meine berufliche Existenz und vor allem die Gesellschaftsentwicklung betreffende Zukunftsangst mit heimischer digitaler Weiterbildung, den verbliebenen, nicht unerheblichen Job-Aufgaben und natürlich Hobbys zu verdrängen. »Stay positive« von den Streets ist quasi meine Corona-Hymne.
Was sind normalerweise deine Kernaufgaben in der Groove und darüber hinaus?
In der GrooveStation bin ich halbtags beschäftigt an der Seite meines Kollegen Erich. Wir teilen uns die Aufgaben, die den Veranstaltungsbereich und das Programm betreffen, wie Booking, Konzeption, Produktion, Marketing, Grafik, Ticketing, Abrechnungen, Mitarbeiterorganisation und generelle Netzwerkerei. Ich persönlich hab dann noch die Rechnungslegung, GEMA und unseren Kontakt zu den geliebten NGOs wie »Mission Lifeline« oder »Start with a friend« auf dem Zettel.
Seit 2004 arbeite ich neben meinem Job noch als privatwirtschaftlicher Veranstalter mittlerweile unter dem Namen Blood Service beziehungsweise im DJ-Team Culture Club. Ebenso mache ich seit anderthalb Jahren nun auch vermehrt Grafik für kleinere soziale Projekte wie das »KIEZ« in Prohlis oder das schöne Projekt »Zur Tonne«, das sich für die Weiterverwertung von von der Ernährungsindustrie aussortierten Nahrungsmitteln, die Weiterbildung junger Menschen zum Thema der Nachhaltigkeit oder auch die Verköstigung Obdachloser und Erwerbsschwacher einsetzt. Seit meinem Wechsel zur GrooveStation 2017 sind dann noch viele weitere Netzwerktätigkeiten dazu gekommen …
Was fehlt dir aktuell am meisten?
Am meisten fehlt mir tatsächlich der persönliche Austausch mit meinem Umfeld beim gepflegten Konzert oder Getränk. Sky und social media können leider keinen Abend im Dresdner Kulturleben aufwiegen. Es fehlt das durch alle Kulturschaffenden in Dresden so lebenswert gewesene Dasein. Es fehlt eben der pulsierende geistige und emotionale Input und Austausch, und die Möglichkeit temporär gewisse soziale Spannungsfelder gestalten zu können. Es fehlt viel.
Du engagierst dich gerade auch im Klubnetz. Was genau passiert dort aktuell und welche Initiativen wurden ergriffen?
Das Klubnetz Dresden hat direkt in der ersten Woche der verordneten Maßnahmen mit denen die Schließungen der Klubs einherging, eine Spenden-Kampagne zur Unterstützung seiner Mitglieder gestartet »Rettet die Dresdner Klubs«, das vor einigen Wochen beendet wurde. Nochmal ein großes Danke im Namen aller beteiligten Klubs an alle Spender! Mit der Kampagne verbunden wurden die Klubnetz-Streaming-Sessions, die anfangs täglich, mittlerweile an drei Tagen in der Woche umgesetzt werden. Das »United We Stream«-Wochenende Anfang Mai, das auch via Arte Concerts supportet wurde, war dabei ein Highlight mit knapp 70.000 Zuschauern am Tag.
Abgesehen von unserem simplen Willen, die Kultur am Leben zu erhalten, hoffen wir, dass die ehrenamtliche Tätigkeit der unzähligen Beteiligten zu einer verbesserten Wahrnehmung durch die Stadt führt, was auch schon erste Früchte trägt. Unser generelles Ziel ist es, den fokussierten Bildausschnitt der Stadtpolitik- und Verwaltung auf die Vielzahl der nicht oder nur minimal geförderten Kulturangebote zu erweitern. Wir spüren bei der Arbeit im Klubnetz einen sehr großen Rückhalt in der Dresdner Kulturszene und vor allem auch beim Publikum.
Was braucht es deiner Meinung nach um als Club oder Kulturbetrieb durch die Krise zu kommen. Woran fehlt es am allermeisten?
Es braucht aktuell natürlich viel ehrenamtliches Engagement aller Beteiligten in ihren jeweiligen Häusern. Hier muss man natürlich schauen, dass es nicht zu einer weiteren Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse kommt. Mit jedem Tag, den die Schließungen andauern, steigt das Risiko, dass ein ganzes Stück der Kulturangebote verloren geht. Was auf jeden Fall vielen Klubs, und, wie ich denke, allen von der aktuellen Situation betroffenen Gewerbetreibenden helfen würde, wäre eine gesetzliche Grundlage, Mieten aussetzen zu können, wenn man wie aktuell geschlossen bleiben muss und so keinerlei Umsatz erzielen darf. Nicht jeder Vermieter ist auch gesprächsbereit.
Der weitaus größere Teil der Freien und Selbstständigen wurde bis dato komplett vernachlässigt. In der Kulturbranche arbeitet ein großer Teil der Menschen als Selbstständige ohne größere Betriebsausgaben. Die eigene Arbeitskraft, Knowhow und ihre Softskills sind das Haupt-Betriebsmittel vieler Techniker, Tänzer, Gestalter, Grafiker, Kellner, Köche oder Türsteher. Alle stehen gerade jetzt ohne Einkommen da und bekommen bisher außer dem Gang in die Arbeitslosigkeit oder Verschuldung keine Lösungen angeboten.
Es sollen ja schrittweise wieder Veranstaltungen möglich sein. Welche Alternativen sind realistisch und was macht dir im Hinblick auf kommende Lockerungen vielleicht Sorgen?
Das ist leider komplett abhängig von den Entwicklungen, über die wir aktuell immer nur mutmaßen können. Wir sind auf alles vorbereitet und haben die letzten Wochen damit zugebracht, uns die Köpfe zu zerbrechen, was wir wann wieder machen können. Das haben wir jetzt erst mal mehr oder weniger auf Eis gelegt. Wenn es so weit ist, sind wir wieder am Start – sofern wir es dann noch können. Alles andere ist wohl Kaffeesatzleserei. Wir werden sehen, wie es sich weltweit entwickelt, da ja vor allem internationale Künstler auch noch keinen Tourplan schmieden können, wenn nur Deutschland zur Normalität findet. Und ich gehe stark davon aus, dass es Normalität wie wir sie von vor einigen Monaten kennen, nicht vor einem Impfstoff geben wird. Alles andere wäre wohl auch unvernünftig.
Es bleibt zu hoffen, dass viele sich in dieser Zeit Gedanken machen, ob sie überhaupt so wie vorher weiter leben wollen. Ob ein »immer mehr« für »immer günstiger« oder ein »immer selbstoptimierteres Arbeiten« wirklich gesund für den Planeten, die Gesellschaft, die eigene Psyche ist, muss wohl jeder für sich selbst beantworten. Bestenfalls auch gegen die eigene Bequemlichkeit.