»Mir fehlt eine verbindliche zeitliche Perspektive für meine Arbeit«

Katharina Salomo, Verlegerin (Dresdner Buchverlag) und Buchhändlerin (Shakespeares Enkel) – befragt von Kaddi Cutz

Wie wirkt sich die Krise auf deinen Alltag aus?

Von den Aufgaben, die sonst meinen Arbeitsalltag bestimmen, konnte ich in den letzten Wochen leider nur einen Bruchteil erledigen. Die Zeit war eher davon geprägt, für den Verlag eine passende »Marschrichtung« durch die Krise zu finden, verbindliche Voraussetzungen für ein Weiterarbeiten zu schaffen; eher administrative Dinge also. Wobei es jetzt soweit ist, dass ich mich wieder ins produktive Arbeiten stürzen kann. Darauf freue ich mich sehr.

Welche Probleme ergeben sich konkret für das Verlagsgeschäft?

Die Verlagsarbeit ist derzeit auf ein Minimum »eingedampft«. Das hat vor allem finanzielle Gründe. Im Moment ist es für einen kleinen Verlag wie unseren sehr schwierig, die Leserinnen und Leser zu erreichen. Sogar schwieriger noch als vorher. Die Buchhandlungen waren lange geschlossen. Messen, Märkte und Veranstaltungen wie Lesungen oder Buchpräsentationen finden vorerst nicht statt. Neuerscheinungen adäquat zu bewerben und dem Publikum direkt nahezubringen, ist somit fast unmöglich geworden.

Da bei uns im Verlag neue Bücher jedoch durch die aktuellen Verkäufe finanziert werden und wir durch den Wegfall unserer Veranstaltungen, Messen und Märkte bisher kaum bis keine Umsätze generieren konnten und auch auf absehbare Zeit wohl nicht können, mussten wir die Veröffentlichung der für Herbst 2020 geplanten Buchprojekte um ein halbes Jahr verschieben. Ich bin sehr froh, dass die betreffenden Autorinnen und Autoren mit dieser Entscheidung mitgehen. Das ist großartig und hilft uns sehr.

Katharina Salomo, Copyright: Maik Sempf

Die kleinen Verlage sind ja ohnehin in den letzten Jahren durch Probleme mit der VG-Wort und die Insolvenz des großen Zwischenhändlers KNV arg gebeutelt. Nun auch noch Corona: Wie massiv ist die Existenzbedrohung?

Die Branche hat in den letzten Jahren eine Katastrophe nach der anderen erlebt, du sagst es – doch die beiden von dir genannten Beispiele bilden vielleicht erst die Hälfte der ganzen Misere ab. Dazu kommen auch noch gestiegene Portokosten für Büchersendungen und dass ein anderer Zwischenbuchhändler 250.000 Werke vornehmlich aus kleinen, unabhängigen Verlagen aus dem Angebot genommen hat, weshalb viele Buchläden diese nicht mehr unkompliziert bestellen können, obwohl die Titel eigentlich noch lieferbar sind. Viele Kollegen haben daher schon aufgegeben, und die Marktbereinigung wird weitergehen – gerade unter den Kleinen.

Ich weiß, dass es vielen Kolleginnen und Kollegen gerade überhaupt nicht gut geht. Aber sie kämpfen weiter. Wir auch. Unser Verlagskonzept funktioniert, das haben die letzten Jahre gezeigt. Nun hoffe ich, dass wir wieder daran anknüpfen können, sobald das möglich ist.

Was wünschst du dir konkret an solchen, um durch die Krise zu kommen?

Die Pakete, die bisher geschnürt worden sind, sind okay, denke ich. Für die Kürze der Zeit wurde schon viel auf den Weg gebracht. Was noch fehlt, sind rechtssichere Regelungen bzw. Programme, mit denen Selbstständige oder Inhaber eines Kleinstunternehmens nicht nur betriebliche Kosten decken darf, sondern sich auch etwas für den eigenen Lebensunterhalt entnehmen kann. Ich finde, eine Beantragung der Grundsicherung des ALG2 ist in keiner Weise eine Alternative.

Welche neuen Wege bist du gegangen, um deine Arbeit trotz Krise weiterführen zu können?

In den letzten Wochen hat sich ja viel – um nicht zu sagen: fast alles – ins Internet verlagert. So haben auch wir Ideen gesammelt, wie wir dies für unseren Verlag nutzen können.

Wir haben in der Zeit geschlossener Buchhandlungen beispielsweise unser Verlagsangebot um einen persönlichen Lieferdienst erweitert. Die Leserinnen und Leser konnten und können auf unserer Homepage stöbern, anschließend direkt bei uns bestellen – und dann wurden und werden sie ganz bequem von uns mit Lesestoff versorgt. Wenn die Kunden in Dresden und Umgebung wohnen, bringen wir die Bücher sogar persönlich vorbei. Das ist etwas, was wir auf jeden Fall gern beibehalten möchten, denn das Angebot wurde sehr gut angenommen.

Was fehlt dir persönlich (also auch unabhängig vom Geschäftlichen) gerade am meisten oder macht dir am meisten zu schaffen?

Ich bin schon ein recht geselliger und kulturaffiner Mensch, der oft und gerne ins Theater geht, ins Konzert, Lesungen besucht usw. Dass man diese Kulturangebote derzeit nicht nutzen kann, macht mir schon zu schaffen.

Und mir fehlt auf jeden Fall eine richtig verbindliche zeitliche Perspektive für meine Arbeit. Ich bin jemand, der gern viel und lange vorausplant und organisiert. Dies ist natürlich in einer Krisensituation wie der jetzigen nicht möglich. Entscheidungen sind kurzfristig zu treffen, jeden Tag gibt es neue Entwicklungen. Das strengt mich schon etwas an, daran musste ich mich erst gewöhnen.

Was ziehst du vielleicht auch Positives aus der Situation?

Was ich beobachte, ist, dass die Dresdner Literaturszene allgemein derzeit sehr viele wunderbare Dinge auf die Beine stellt. Nicht nur, dass man mit dem »Literaturnetz Dresden« ein gutes Instrument hat, um die Kreativität und das Engagement der Literaturszene in der Stadt auch in diesem Zeiten sichtbar zu machen. Auch die meisten Veranstalter und Veranstaltungsorte haben eigene Angebote gestartet und sind dadurch sichtbarer geworden. Das ist sehr positiv. Und ich hoffe natürlich, dass man sich – so unterschiedlich die literarische Ausrichtung auch manchmal ist – auch nach Corona in der sozusagen »analogen Welt« so gut und solidarisch auf Augenhöhe begegnet, wie es sich jetzt im virtuellen Raum anlässt. Das wäre wirklich schön und eine unbedingte Bereicherung für die Stadt.