Juliane Hanka, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit fürs Societaetstheater – befragt von Annett Groh

Wie
haben Sie persönlich die vergangenen Wochen erlebt?
Seit
dem Tag vor der »Langen
Nacht der Dresdner Theater«,
also seit dem 13. März, gibt es kein Theater mehr – von heute auf
morgen kam der Stillstand. Das war erst einmal schräg und sogar ein
bisschen aufregend. Dann folgte die Ernüchterung: kein Spielbetrieb
heißt auch kein Geld mehr für die Künstler*innen der Freien Szene,
die bei uns auf der Bühne stehen. Wir als Festangestellte des Hauses
erleben nun beide Seiten, denn für uns im Büro und in der Technik
geht es finanziell abgesichert weiter, während andere darben. Da
hinterfragt man die eigene Rolle und die Solidarität mit den Anderen
noch einmal ganz neu.
Was sind die größten Herausforderungen, die Sie und Ihr Haus zu meistern haben?
Wir haben zum Zeitpunkt dieses Gesprächs eine Haushaltssperre, das heißt, wir dürfen kein Geld für künstlerische Leistungen ausgeben, obwohl genau das von uns gefordert wird: kreative Formate für diese Leerlaufzeit. Dass man in den Zeiten von Abstandsregelungen und Mundschutz überhaupt so etwas wie sinnliche Kunst aufführen kann und wie diese aussehen soll ist nochmal eine ganz andere Frage. Aber wir haben große Lust auf ihre Beantwortung.
Während
der Corona-Krise haben sich viele digitale Kulturangebote
herausgebildet. Wie sehen Sie diese Digitalisierung?
Wir
haben im April mit unserem »Socie
TV«
auch ein tägliches digitales Angebot ins Netz gestellt. Das ist
wieder so ein Dilemma: auf der einen Seite will man zeigen, dass es
ganz viel kreatives Potenzial gibt, das nun brach liegt, auf der
anderen Seite beutet man genau dieses Potenzial aus, weil man den
Künstlern nur eine Aufwandsentschädigung zahlen kann. Wir haben uns
entschieden, dieses Format einzustellen, weil es unserem Verständnis
nach der Relevanz von Theater nicht gerecht wird.
Wo
stehen Kunst und Kultur, wenn sich der Alltag wieder
normalisiert?
Die Frage ist doch eher, wo steht sie, wenn
der Alltag außer Kraft gesetzt ist? Wir merken: sie fehlt vielen,
einige wollen jetzt Geld spenden, wünschen sich, dass es bald wieder
Aufführungen geben kann. Aber der Wert von immateriellen Dingen ist
natürlich schwer messbar, die Notwendigkeit von
Einkaufsgelegenheiten, medizinischer Versorgung oder pädagogischer
Betreuung leichter zu benennen. Aber als Luxusgut möchten wir Kunst
und Kultur ausdrücklich nicht verstanden wissen. Sie fehlt einfach,
wenn sie nicht stattfinden darf. Das gilt nicht nur fürs Theater,
sondern auch für Konzerthäuser, Clubs, Bars und die vielen anderen
Zerstreuungen, die nicht selten als soziale Auffang- und
Auftankstelle fungieren
Was wird sich verändern? Wie ist Ihr persönlicher Blick in die Zukunft?
Tja, da gibt es eine hoffnungsvolle und eine realistischere Vermutung. Die Hoffnung ist, dass wir etwas von der Verlangsamung der Dinge übernehmen. Dass wir es schaffen, nicht wieder komplett in unsere Routinen zurück zu fallen, sondern hier und da etwas wirklich neu denken lernen. Das gilt ganz besonders für unseren Theateralltag, den wir ja aufgrund eines gerade vollzogenen Geschäftsführerwechsels im Societaetstheater sowieso nochmal komplett überdenken. Was aber zu befürchten ist, auf gesellschaftlicher wie auf individueller Ebene: Es wird sich vieles einpegeln auf das, was vorher war und die Corona-Zeit wird wegsortiert als überwundene Schauergeschichte. Wenn’s anders wird: wir freuen uns und träumen schon mal von einer Zukunft, in der Theater im direkten Austausch mit dem Publikum stattfindet.