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Jan Delay

Hammer & Michel

(Universal Music)


Tja, nun ist es passiert: Einer der coolsten Rampensäue im deutschen Musikbusiness hat sich aus seinem HipHop-Funk-Soul-Universum hervor gewagt und seinen Hut in den Ring geworfen. Die Meute hat sich darauf gestürzt – und ihn zerrissen. Natürlich nur den Hut, aber symbolisch ist damit Jan Delay gemeint. Was ist da passiert? Dass sich HipHop- und Rock-Attitüde nicht zwangsläufig ausschließen müssen und ganz gut vertragen, haben Run DMC, die Beastie Boys oder Casper längst bewiesen. Aber muss es denn gleich eine volle Kehrtwendung und ein pures Rockalbum sein? Kritiker, enttäuschte Fans und selbsternannte Rockbeauftragte werfen ihm allerhand Unrat an den Kopf. So sei Jan Delay etwa auf dem Deutschrock-Level eines leicht modifizierten Udo Lindenberg gelandet, mit dem ihn ja tatsächlich nicht nur das Nuscheln verbindet. Bis hin zum nicht ganz ernst gemeinten Vorwurf, dass ein Rocker nicht tanzen würde, was die Text-Zeile suggeriert: »Denn im Großen und Ganzen, ham' wir allen Grund zum Tanzen«. »Sie kann nicht Tanzen« ist tatsächlich einer der wenigen starken, funky Songs auf diesem Album. Dazu gehört neben dem funktionierenden »Nicht eingeladen« sicher auch »Liebe«, der monumental anmutende Midtempo-Opener mit Progrock-Pausenspiel. Klar blitzt auch bei Delays unerwarteter Hinwendung zum klassischen Rock seine musikalische Sozialisation durch, bisweilen packt sogar der Groove, aber unterm Strich ist das zu wenig. Wenn schon Rock, warum dann nicht richtig fett und groovy mit Bläsern und Disko No. 1? Mit Mundharmonika und Rudolf-Schenker-Gedächtnis-Gitarrensolo reißt man jedenfalls keinen Rocker vom Hocker, und in punkto Wortwitz und Flow war der Hamburger auch schon mal besser. Ob das nun ein missglücktes Rock-Imitat oder eine musikalische Weiterentwicklung ist, muss man dann schon selbst entscheiden.
Frog
Jan Delay am 24.9.2014 live im Eventwerk.
www.jan-delay.de/home/
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