Wie Leuchttürme in der Nacht: »h.A.u.T« feiert Premiere an der bühne
Was ist ein Mensch anderes als ein Konsumprodukt, das gekauft werden will? Im Schauspiel »h.A.u.T.« von Autor und Co-Regisseur Michael Kuhn stellt das Ensemble dem Publikum genau diese Frage und gibt neben viel nackter Haut auch seelisch eine Menge Preis.
Fünf Studenten, die zusammen abhängen. In ihrem Mikrokosmos ist nichts wichtiger als Attraktivität. »Nett oder durchschnittlich? Das will doch keiner...«, erklärt Marek (Yannik Carstensen), der gern mit erfundenen Frauengeschichten prahlt. Entscheidend sei für ihn und seine Freunde, wie gut jemand seine Haut als nach Außen wirkende Identität und Werbefläche einzusetzen versteht. So gelingt es auch Rafael (Robert Richter) mit Charme, Witz und dem Slogan »Manchmal bin ich halt bescheuert« die kecke Louisa (Elisa Moser) zu einem Schäferstündchen in einer der obskuren, herabhängenden Stoffröhren zu überreden. In das Beziehungsnetz der Fünf Charaktere streuen Kuhn und seine Regiekollegin Romy Lehmann immer wieder ganz besonders effektreiche Lightshow-Momente. Von Elektro-Beats à la Prodigy oder auch ruhigen Balladen getragen, werden die Schaupieler in minimaler Bekleidung zu Bodypaintflächen oder faszinierenden Leuchttürmen in einer nebelverhangenen Nacht. Das hat Perfomance-Charakter und passt sich wunderbar in die Thematik ein.
Eigentlich kann man dem Regie-Duo nur vorwerfen, zu viele Ideen in die Produktion gesteckt zu haben. Wie sehr sich Show-Szenen, die nur so vor Symbolismus und Identitäts-Metaphern strotzen, mit explizit erotischen Anspielungen bei Goethe-Rezitationen vertragen, muss jeder für sich selbst entscheiden. Zumindest bei den wirklich durchweg überzeugend gespielten Mono- und Dialogen, wenn etwa die immer gute Seele Maja (Franziska Fröhlich) dem Publikum ihren innersten Wunsch, einfach mal Einsamkeit per Knopfdruck, offenbart, gelingt die Balance zwischen originell und emotional dann wiederum hervorragend. »Ich wollte sehen, was darunter ist«, sagt Marek, nachdem er merkt, dass seine Annäherungsversuche von Louisa nicht erwidert werden und zeigt Benjamin eine Schnittwunde, genau da, wo sein Herz sitzt. Eine Szene wie diese, irgendwo zwischen Homo-Erotik und Männerfreundschaft, könnte nicht besser aufzeigen, dass Identität immer zwei Seiten hat: die oberflächliche, die man sehen kann, und die wahre, die man vor den anderen verbergen möchte. Die neue Produktion der bühne darf getrost als ein waschechter Seelen-Striptease gelten. Der Wechsel aus Schauspiel mit philosophischem Tiefgang und Performance-Szenen mit nackten Tatsachen läuft selten Gefahr, ins Voyeurtheater abzudriften, wirkt auch noch nach dem Stück eine ganze Weile im Zuschauer nach und sorgt dafür, dass sich »h.A.u.T« vom üblichen Theaterbetrieb in Dresden abheben kann. Martin Krönert

Nächste Vorstellungen: 4./8.5.2013 bühne der TU



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