Steven Wilson
am 30. Oktober im Alten Schlachthof. Steven Wilson, der heute vielleicht eine der vielseitigsten und prägendsten Persönlichkeiten in der anspruchsvollen Rockmusik darstellt, ist nicht nur ein musikverliebter Bastler, der in der Manier des 70er-Jahre Progressive Rock verschiedenste Stile miteinander verschweißt, sondern auch ein phantasievoller Erfinder von eindringlichen Harmonien und Melodien. Nachdem er mit seiner zunächst als Einmann-Projekt gegründeten, später zu einer Band mit Stammbesetzung gewordenen Institution Porcupine Tree viel Erfolg erlangte, ist er seit einigen Jahren mit Soloprojekten unterwegs, in denen sich zuletzt Retro-Rock und Jazz-Fusion-Aspekte verstärkten. Für sein drittes und aktuelles Soloalbum »The raven that refused to sing and other stories« versammelte er mit Marco Minnemann (Schlagzeug), Theo Travis, Nick Beggs, Adam Holzmann und Guthrie Govan einen erlesenen Kreis von Musiker um sich, die ihn (mit Ausnahme von Schlagzeuger Marco Minnemann, den Chad Wackerman ersetzt) auch auf der Tour begleiten.

In dem Konzert am 30. Oktober 2013 im Alten Schlachthof bildeten zwei Porcupine-Tree-Songs den Rahmen: Zu Beginn das akkustisch vorgetragene »Trains« und am Ende das psychedelische »Radioactive Toys«, einem Stück aus der Frühphase von Porcupine Tree. Dazwischen standen vor allem Stücke aus den letzten zwei Soloalben: Von »Grace for Drowning« stach das lang auskomponierte, kontrastreiche »Raider II« mit seinen monumentalen Tonleitern und abgedrehten Speed-Metal-Partien und einem eindringlich-lyrischen Mittelteil hervor. Die meisten gespielten Lieder entstammten der neusten Wilson-CD, wobei der einfühlsame Titelsong sowie das ebenso melancholische »Drive Home« besonders überzeugen konnten. Ein weiterer Höhepunkt war ein noch titelloses neues Stück, das Ambient-Elemente mit Industrial-Pop und noisig-schrägen Metal-Riffs mit psychedelischen Harmonien verband – ein vielversprechender Anzeiger für das, wohin ein gemeinsamer Weg der Truppe führen in Zukunft könnte.

Das gut zweistündige, vom Publikum begeistert aufgenommene Konzert lebte von einer Szenerie offenkundiger Vollblutmusiker von teils ausgeprägtem Personalstil. Neben Steven Wilson, dem musikfanatischen Song-Bastler und Multiinstrumentalisten mit seinem jugendlich gebliebenen Charme beeindruckte Chad Wackermann mit seinen abrupten und teils explosionsartigen Unregelmäßigkeiten im Schlagzeugspiel, das immer lebendig und in den härteren Partien von mächtiger Wirkung war. Bassist Nick Beggs faszinierte am Chapman-Stick. Guthrie Govan, den manche für denen der weltweit besten E-Gitarristen halten, überzeugte mit emotionalen und sensiblen Akzenten noch in den virtuosesten Läufen, während Keyboarder und Mellotronspieler Adam Holzmann und Flötist und Saxophonist Theo Travis mit ihrem ornamentreichen Spiel für eine reichhaltige und feingliedrige Klangtextur sorgten. Ohne in dieser Truppe einen Ersatz für die derzeit verschwundenen Porcupine Tree sehen zu müssen, darf man doch sehr gespannt sein, was sich aus den experimentelleren, faszinierenden Mischungen und Collagen sowie noise-lastigeren Sounds noch entwickeln wird. Friedrich Hausen/ Foto: Diana Nitschke




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