Richard Wagners »Liebesverbot« an den Landesbühnen Sachsen
Schon vor dem offiziellen Startschuss haben die Landesbühnen Sachsen ihren Beitrag zum Wagner-Gedenkjahr präsentiert, und mit dessen früher Oper »Das Liebesverbot«, die sonst nur sehr selten zu sehen ist, ein erstes Ausrufungszeichen gesetzt. »Große Komische Oper« heißt das Stück im Untertitel, und obwohl das etwa soviel sagt wie ein »schwarzer Schimmel« ist damit doch ganz gut getroffen, was den Zuschauer erwartet. Fern von symbolisch aufgeladenem Erlösungstaumel, der die späteren Werke Wagners großzügig durchzieht, geht es in dieser Wagner-Oper einmal um einen handgreiflichen politischen Konflikt, zur besseren Bühnentauglichkeit freilich mit allerlei Liebeshändeln verbrämt. Der königliche Statthalter in Sizilien, Friedrich, ein ziemlich humorloser Deutscher, hat das liederliche und sittenlose Treiben des Volkes in Palermo satt. Zum Exempel verbietet er kurzerhand den bevorstehenden Karneval, lässt Wirtshäuser und gewisse andere Etablissements schließen und verurteilt gnadenlos Liebesvergehen mit dem Tode, zumindest solche ohne Trauschein. Doch das will sich das gewitzte Volk nicht gefallen lassen, und zum Glück ist Friedrich nicht ein solcher Kostverächter, als dass man ihn nicht mit seinen eigenen Gesetzen fangen könnte.
Interessanterweise spielt Wagner in dieser Oper noch die südliche »welsche« Lebensfreude und ungebundene Ausgelassenheit gegen die nördliche »teutsche« Prinzipienreiterei und lebensfeindlichen Puritanismus aus, und setzt auf emanzipatorische Spontanität von unten gegen den Polizeistaat von oben. Schon dieser Gegensatz sichert dem »Liebesverbot« eine bleibende Brisanz und Bühnenwirksamkeit. Aber auch die Gestaltung der Figuren, etwa Friedrichs großer Monolog im einsamen Zimmer, ist eindrücklich und charaktervoll. Dass es schon dem jungen Wagner vielleicht ein bisschen zu einseitig auf dramatische Wirkung ankam, mag man wechselweise als appetitanregend oder abgeschmackt ansehen, zumal die musikalischen Mittel dafür noch relativ unausgegoren und plakativ erscheinen. Verdi und Offenbach winken von ferne. Neben einem etwas angestrengten Humor mit Dauergerums im Orchester – Pauken, Becken, und das oft vernachlässigte Triangel haben Vollbeschäftigung – probt Wagner gerade in den dunklen, melancholischen Szenen schon mal die Effekte einer avancierteren Chromatik.
Regisseur Hinrich Horstkotte betont in seiner Inszenierung den komischen Charakter des Werks, und vernachlässigt dabei die tragischen Anteile der Grand Opera. Im Ergebnis breitet die gut gestrickte und spannend aufgezogene Dramaturgie allerlei Slapstick und Klamauk aus, der zwar unterhaltsam ist, jedoch zumindest den existenziellen Konflikten der Hauptfiguren nicht gerecht wird. Und auch wenn man sich vom Orchester eine größere Präzision und auf der Bühne eine bessere Textverständlichkeit gewünscht hätte, bleibt der Abend in angenehmer Erinnerung. Paul G. Song vermag als Friedrich darstellerisch und stimmlich mit seinem prachtvollen Bassbariton zu überzeugen, Stephanie Krone singt eine bezaubernde Novizin Isabella. Die schöne Gelegenheit, eine unbekannte Seite Wagners kennenzulernen, und dabei einen aufschlussreichen Blick ins Versuchslabor der musikalischen Moderne zu werfen, sollte man sich nicht entgehen lassen. Aron Koban

Weitere Aufführungen: 16./21.12.2012, 11.1./20.1.2013, 20.5.2013



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