Mutter ist tot! – Peeping Tom verstören in Hellerau wieder mit ihrem Bewegungstheater


09. Dezember 2017 – Mutter liegt im offenen Sarg. Der Zuschauer wähnt sie folglich tot. Dem ist jedoch nicht so. Zwei auf sie gerichtete Mikrofone machen gelegentliches Röcheln hörbar. Und mit jedem Röcheln leuchtet über dem kleinen Raum eine rote Lampe auf. Ein Tonstudio? Bis dann doch der Deckel auf dem Sarg landet.


Wie immer ist die Atmosphäre bei der belgischen Compagnie Peeping Tom düster, beängstigend. Ihr mittlerweile viertes Gastspiel im Festspielhaus Hellerau zeigt nach »Vader« den zweiten Teil einer Trilogie: »Moeder« widmet sich der Mutter. Die hiesige scheint absent zu sein, tot, nur noch eine Erinnerung in diesem Familienmuseum, das täglich neue Besucher begrüßt. Was weiß die Psychologie nicht alles über die Mutter als solche zu sagen! Hier wird sie aber erstaunlicherweise durch die Anwesenheit des Vaters fast überblendet.


Aber keine Frau ist Mutter ohne ihre Relation zu einem Kind. Deshalb gibt es hier Schwangerschaften und Geburten, und der Tod tanzt immer mit. Wenn das eigene Kind sein gesamtes Leben im Brutkasten verbringt, ist es unmöglich, eine tatsächliche Beziehung zu ihm aufzubauen. Also begehrt man eben den Kaffeeautomaten. Es regnet ja sowieso immer. Und dieser Regen, das Wasser, zieht sich wie ein Leitbild durch die Inszenierung.


Wer Peeping Tom schon einmal erlebt hat, findet hier vieles wieder: Die gespenstische Beleuchtung, die bis ins Unmögliche nach hinten gebogenen Wirbelsäulen, die äußerst schmerzhaft wirkenden, verkrampften Zuckungen der kompletten Körper. Die Compagnie schafft es trotzdem immer wieder, das Publikum zu hypnotisieren. Scheinbare Irrationalität und surreale Szenen, in denen ein fast slapstickhafter Humor überrascht, bilden eine Art von Alptraum, der zwar verstört, aber gleichzeitig fasziniert. Und am Ende dieses Alptraums ist die Mutter fast komplett ausgelöscht. Ausgerechnet durch den Vater.

Rico Stehfest / Fotos: Herman Sorgeloos (1,2), Oleg Degitarov (3)

Nächste Vorstellung: 9. Dezember im Festspielhaus Hellerau, 20 Uhr



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