»Die Legende von Romeo und Julia« zeigt Familien auf Distanz beim Sommertheater im Bärenzwinger
»Ist da was faul im Hause Capulet?« fragt der Apotheker von Verona das Publikum als das vom Vater bestellte »Hunde«-Gift durch beherztes Eingreifen der Mutter im Rachen von Töchterchen Julia gelandet ist.

Ja, das ist verwirrend und nein, mit Shakespeares Drama hat der neueste Streich von Peter Förster nicht mehr allzu viel zu tun. Aber wer das bisherige illustre Repertoire des fleißigen Sommertheater-Regisseurs kennt, hat das sicherlich schon geahnt. Denn in »Die Legende von Romeo und Julia« fällt die Romantik in Ermangelung von sexueller Aufklärung, aufgrund von eingebildeten Allergien oder einfach aus Unlust flach. Stattdessen möchte Vater Capulet lieber seine jungfräuliche Tochter an einen reichen Kaufmann verschachern und bei Montagues wird klar, dass die Entwicklung des »hochbegabten« Romeo nicht ganz so erfolgreich verlief. Der faule Bengel fantasiert nach einem Flirt mit Julia nämlich plötzlich von radikalem Umweltschutz und lässt sich für sie auf einen riskanten Plan auf dem Friedhof ein, damit die zwei aus Verona fliehen können. Der gewiefte Apotheker versorgt indes die Bewohner mit allerlei Tinkturen und Ratschlägen und bringt damit das Karussell der Intrigen (und Verwechslungen) so richtig in Schwung.

Mit der üblichen Herzenslust am Reimen gibt Förster in seinem 17. Sommertheaterstück einen unterhaltsamen Einblick in das gut betuchte Verona. Die feine Sprache eines Shakespeare weicht dabei einem derberen Wortschatz, bei dem jedoch ein Begriff überhaupt nicht fällt. Und das, obwohl die 1,5 Meter Sicherheitsabstand der Schauspieler zueinander mit allerlei Inszenierungstricks präzise eingehalten werden und der Zuschauerraum arg ausgedünnt wurde, um den aktuellen Vorschriften zu genügen. Warum sollte man auch von der elenden Gesundheitskrise sprechen, wenn man die scharfe Klinge der Subtilität so gut beherrscht, wie es Förster in diesem Jahr tut? Denn natürlich finden sich dutzende Corona-Anspielungen in der Renaissance-Komödie und auch »Fridays for Future«, ein überforderter Staat und die Arzneimittelindustrie kriegen beim italienischen Schlagabtausch ihr Fett weg. Nur vermischt Försters Volkstheaters seine Geheimzutat »augenzwinkernde Aktualität« in diesem Jahr mit beeindruckender Beiläufigkeit, die er in ein hübsch verworrenes Intrigengeflecht einzubetten versteht. Dabei kommt die Handlung nur gegen Ende ein wenig vom Weg ab, wenn Papa Capulet glaubt, seinen Verstand zu verlieren und ein wahres Gemetzel seinen Lauf nimmt. Doch bis dahin sitzt jeder Vers, gibt es viel zu Lachen und zwei der fünf Ensemblemitglieder – beim Rezensenten die toll aufspielenden Damen Pia Noll und Nadine Pirchi – können in Doppelrollen ihre Wandlungsfähigkeit beweisen.
Martin Krönert / Fotos: Sommertheater Dresden

Weitere Vorstellungen: Bis 6.9.2020 täglich außer montags im Bärenzwinger. Spielzeiten + Tickets unter www.sommertheater-dresden.de/theaterstueck/sommertheater-2020/



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