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Wir hatten immer Bock – Bosse im Interview (Foto: Benedikt Schermann)
Bosse im Interview (Foto: Benedikt Schermann)
■ Schon im Februar erschien mit »Engtanz« das neue Album der Indie-Koryphäe. Im Zuge der anstehenden Live-Termine wird es am 14. März auch ein Konzert in der Reithalle geben. Für DRESDNER-Autor Matthias Hufnagl Grund genug, sich mit Axel Bosse über familiäre Kritik, die Kraft negativer Erfahrungsschätze und den Nutzen des langsamen Erfolges zu unterhalten.

Lemmy ist tot, Bowie ist tot. »Was nun?« lautet die Frage an den Künstler!?

Axel Bosse: Ich habe mir noch gar keine Gedanken darüber gemacht, wer da jetzt nachrücken kann, aber es wird eng. Bruno Mars ist es irgendwie nicht.

Gab es in deiner Karriere seit dem ersten Album »Kamikazeherz« einen Punkt, an dem du alles hinschmeißen wolltest?

Axel Bosse: Es gab eine Nacht, die für mich ziemlich prägend war. Das war die Nacht, in der wir wussten, dass wir ein Baby bekommen. Wir wussten es schon tagsüber, nachts habe ich dann aber plötzlich Schiss bekommen. Die Angst hatte nicht so viel mit Musik zu tun, sondern mit dem Verdienen von Geld durch Musik, was zu dem Zeitpunkt nicht wirklich funktionierte. Eher im Gegenteil – ich habe immer gearbeitet, um meine Musik zu finanzieren. Das war der einzige Moment, in dem mir Zweifel kamen. Wir haben uns dann hingesetzt, einen Plan gemacht und am nächsten Morgen wusste ich, dass ich Musiker bleibe. Dann habe ich meine eigene Plattenfirma gegründet, noch mal mehr Miese gemacht, irgendwann hat es dann aber angefangen zu rollen.

Hat es dir in deiner Entwicklung als Künstler gut getan, dass du dir das Ganze erspielt hast und dir nichts zugeflogen ist?

Axel Bosse: Wir können uns immer noch freuen wie die Kinder, wenn eine Halle ausverkauft ist. Wenn wir in den Bus einsteigen, oder Leute haben, die uns helfen, dann habe ich das Gefühl, dass wir eine Truppe sind, die das alles sehr zu schätzen weiß. Wir haben uns über die Jahre warm gespielt, uns auf der Bühne richtig kennengelernt. Als es dann angefangen hat richtig zu funktionieren, musste man über solchen Sachen gar nicht mehr reden. Der Nachteil, wenn man ganz schnell erfolgreich wird: beim fünften Konzert kommen vielleicht dreitausend Leute. So ist es ja bei Leuten, die in Castingshows mitmachen.

Beim zehnten Konzert dafür dann dreißig?

Axel Bosse: Ja genau. Bei uns hatte ich jedenfalls das Gefühl, dass wir gut gewappnet sind und nicht drei Wochen schlaflos waren, wenn wir wussten, es kommen tausend Leute.

Ihr habt immer gespielt, egal wie viel Leute vor der Bühne standen, richtig?

Axel Bosse: Ja, wir haben immer gespielt. Das muss man uns lassen. Wir haben auch immer gut gespielt. Das muss man uns auch lassen. Wir hatten immer Bock – eben auch vor 30, 40 oder 50 Leuten. Ich weiß auch, das wir weitermachen werden, wenn es irgendwann wieder weniger wird und nicht anfangen werden zu heulen, wie so verwöhnte, gehypte Objekte. Wir haben ja auch eine Fanbasis, die uns auf Konzerten mit 30 Leuten entdeckt hat und mittlerweile zum alten Kern gehört.

Den Song »Schönste Zeit« hast du damals zuerst deiner Frau vorgespielt. War sie auch bei den Songs deiner neuen Platte »Engtanz« die schärfste Kritikerin?

Axel Bosse: Meine Frau ist echt ein Musik-Nerd und ziemlich geschmackssicher. Ich spiele ihr Sachen zwar vor, habe aber immer auch Respekt davor, weil sie nun mal der Mensch in meinem Umfeld ist, mit dem ich am engsten bin. Sie ist die Ober-Polizistin – wenn sie es gut findet, dann weiß ich, ich kann es machen. Diesmal hat sie ziemlich viel gemeckert und ich habe auch ziemlich viel liegen lassen.

Du hörst darauf, bist nicht beleidigt oder bockst?

Axel Bosse: Das kommt immer etwas auf die Tagesform an. Das kennt ja jeder. Manchmal habe ich das Gefühl, ich habe so einen Opfertag. Da bin ich so weich, dass wenn mir jemand sagt, dass das scheiße ist, ich sofort aufhören würde Musik zu machen, um mich wieder hinzulegen. Da ist es egal, wer mir das sagt – und wenn es ein Volksmusikant ist. Wenn ich an manchen Tagen aber einigermaßen gut aufgestellt bin, kann ich mit Kritik leben und auch sagen: »Nene, das ist aber gut und so.«

Wie wichtig sind beim Schreiben deiner Texte »Leid« und ein »negativer Erfahrungsschatz«?

Axel Bosse: Als Schreiberling ist der negative Erfahrungsbereich, wie zum Beispiel Abschiedsschmerz eine Quelle, aus der man schöpfen muss – es ist aber auch ziemlich leicht. Mir fällt es jedenfalls immer leichter so was zu schreiben, als irgendwas total Glückliches zu schreiben.

Ich denke dabei an Zeilen wie »Ein ich ist ein ich ist ein Knast« aus dem Stück »Wir nehmen uns mit«.?

Axel Bosse: Ja, genau. Über die Zeile habe ich mich auch einigermaßen gefreut, weil ich mich schon in einem Korsett befinde. Ich bin ja kein HipHopper, aber auch kein Schriftsteller. Das heißt, ich muss Sachen so gut es geht ganz knapp auf den Punkt bringen ohne kitschig zu sein oder mich vor mir selbst zu ekeln. In dem Song geht es darum, dass ich in meinem Leben schon oft irgendwo hingefahren bin, losgelassen habe und schnell weg musste – weil ich eigentlich nur vor mir selber weg musste. Irgendwann habe ich gemerkt, dass weder Sonnenschein noch Schnee etwas daran ändern. Neue Leute auch nicht. Das bin eben ich und da fand ich das Knastbild irgendwie ganz gut.

Im Oktober 2015 warst du Teil von »WIR. Stimmen für geflüchtete Menschen.« Wenn du dir ansiehst, was sich seitdem entwickelt hat. Was kann Kunst und Kultur an diesem Punkt tun? Kann Kunst und Kultur hier überhaupt helfen?

Axel Bosse: Die wichtigste Sache ist Stellung zu beziehen und sich als Künstler zu positionieren. Ich glaube an Konzerte und fand die Veranstaltung in München richtig gut. Ich habe mir auch ziemlich viel bei »Moabit hilft« angesehen und auch mitgeholfen. Der Laden wurde durchweg von freiwilligen Helfern geschmissen. Während der Aufnahmen in Berlin, haben wir einmal die Woche einen Produktionsstopp gemacht, mit »Moabit hilft« telefoniert und einfach Sachen besorgt, die nötig waren. Das waren Hygieneartikel, zu fast 90 Prozent aber Telefonkarten, um eben telefonieren zu können.

Was würdest du Pegida zurufen, wenn sie dich hören könnten?

Axel Bosse: Ich würde ein Plakat malen, auf dem steht: Lernt endlich zu lieben. Meinetwegen zuerst euch, dann auf jeden Fall alle anderen.
Vielen Dank für das Interview!

Bosse ist am 14. März in der Reithalle zu erleben. Das Konzert ist bereits ausverkauft; mehr zu Bosse unter www.axelbosse.de

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