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Wie Clint Eastwood in der Kupfersteinzeit – Im Interview mit Jürgen Vogel zu seinem Ötzi-Abenteuer »Der Mann aus dem Eis«
Im Interview mit Jürgen Vogel zu seinem Ötzi-Abenteuer »Der Mann aus dem Eis«
■ Sein Schicksal ist der älteste dokumentierte Mord in der Menschheitsgeschichte und sein Fund war ein Glücksfall für die Wissenschaft. Die Gletschermumie Ötzi ist schon seit ihrer Entdeckung im Jahr 1991 Inspiration für viele Romane und nun hat sich Felix Randau an eine filmische Interpretation der letzten Tage von dem Mann aus dem Eis gemacht. Die Hauptrolle in dem prähistorischen Rachethriller, der (fast) ohne Sprache auskommt, übernimmt Jürgen Vogel. DRESDNER-Autor Martin Schwickert hat sich mit ihm getroffen, um etwas mehr über die herausfordernden Dreharbeiten und die Faszination des Rachefilm-Genres zu erfahren.

Herr Vogel, wie war Ihre erste Begegnung mit dem Ötzi?

Jürgen Vogel: Das ist natürlich schon ein bisschen schräg. Das Ötzi-Museum in Bozen hat ja eine sehr interessante Ausstellung. Noch beeindruckender als die Mumie fand ich allerdings die ganzen Utensilien, die der Ötzi dabei hatte, weil das so viel über die Entwicklung und den Stand der Gesellschaft damals aussagt. Wir sind ja, was diese Zeit angeht, noch sehr unwissend. Ich war überrascht, wie hoch entwickelt diese Kultur damals schon war.

Wie fühlt man sich als Schauspieler in eine Welt ein, die schlappe 5.000 Jahre zurückliegt?

Jürgen Vogel: So schwer war das gar nicht. Man hat ja die Hilfe von Maske, Ausstattung und Kostüm. Die Kleider im Film wurden originalgetreu nach denen des Ötzis nachgearbeitet. Und sobald man dann in der Natur ist, den Berg hochsteigt und aus der Puste kommt, muss man gar nicht mehr so viel machen.

Was hat Sie am meisten an diesem ungewöhnlichen Projekt gereizt?

Jürgen Vogel: Für mich ist »Der Mann aus dem Eis« in erster Linie ein Abenteuerfilm. Der Film ist ja sehr »old school«, funktioniert viel mehr über die Haltung der Figur als über Sprache und wird sehr physisch erzählt – ein bisschen wie ein Western mit Clint Eastwood. Und dann hat die Geschichte auch noch eine spannende Wendung, die ich so nicht erwartet hatte. Der Kreislauf von Gewalt und Rache führt zu einer interessanten neuen Lehre für die Figur.

Warum ist Rache eigentlich ein solch beliebtes Filmsujet?

Jürgen Vogel: Rache ist ein Gefühl, das jeder nachvollziehen kann. Im Kino werden die Geschichten so aufgebaut, dass man erst einmal eine gewisse Verbundenheit zur Figur herstellt. Dann wird in deren Leben irgendetwas durch die Schuld von anderen zerstört. Der Held findet sich nicht damit ab und versucht sich zu rächen. So einer Geschichte kann man leicht folgen, weil Rache ein grundlegendes Gefühl ist. Das ist ein genauso klassisches Motiv wie der Liebesfilm oder die Komödie, die ja auch immer funktionieren, weil sie urmenschliche Bedürfnisse bedienen. Im Kino hat man die Möglichkeit, über einen stellvertretenden Protagonisten dieses Gefühl zu durchleben mitsamt den Konsequenzen, die daraus entstehen und vor denen man vielleicht Angst hat.

Welche Konsequenz hat Rache in diesem Film?

Jürgen Vogel: Der Film zeigt, wie Rache einen letztendlich selbst zerstört. Rache macht blind. Man hofft durch die Rachetat von der eigenen Wut und dem Verlust erlöst zu werden. Man hofft das erlittene Leid mit dem Leid, das man dem Täter zufügt, aufwiegen zu können. Aber diese Rechnung geht nie auf. Am Ende hat man nur noch schwerer daran zu tragen. Vielleicht bietet der Film eine Möglichkeit, den Weg mit dem Protagonisten zu gehen, und mit ihm das Konzept der Rache zu überdenken.

Sie haben für den Film eine eigene Sprache entwickelt … ?

Jürgen Vogel: Wir hatten einen Sprachwissenschaftler, der für die einzelnen Szenen diese Sätze erarbeitet hat. Da kann man natürlich nur mutmaßen, wie eine Sprache, die heute im Italienischen geendet ist, sich vor 5.000 Jahren angehört haben mag. Das war für mich super interessant, auch wenn es letztlich direkt beim Spielen keine große Rolle gespielt hat. Wenn sich ein Mensch von einem anderen verabschiedet, wird man schon ahnen, dass er »Tschüss« oder »Pass auf dich auf« gesagt hat. Da braucht man auch keine Untertitel für.

War es auch einmal entspannend mit so wenig Dialog arbeiten zu können?

Jürgen Vogel: Ja, aber es ist auch eine ganz schöne Herausforderung. Im Film wird eine Figur normalerweise größtenteils anhand dessen charakterisiert, was sie sagt. Hier geht das nicht. Man muss viel über Haltungen und Mutmaßungen erzählen und hoffen, dass das Publikum dabei mitgeht. Das Ganze muss dann auch eine bestimmte Spannung haben. Die Art, wie jemand geht, zum Beispiel, erzählt viel über eine Figur. Aber es hat Spaß gemacht, so zu arbeiten und zurück zu einer Urform des Schauspiels zu gehen.

War dieser Dreh so anstrengend, wie er aussieht?

Jürgen Vogel: Wir haben keinen einzigen Tag im Studio gedreht, sondern immer in den Bergen auf der Höhe von 2.000 Metern und am Schluss in 3.700 Meter Höhe auf dem Gletscher in Kärnten. Wir haben die Kälte, die Höhe, den Wind und diese unfassbare Schönheit der Natur direkt gespürt.

Aber Sie bleiben eher ein Großstadt-Cowboy?

Jürgen Vogel: Ich bin beides. Ich mag auch schon sehr gerne die Natur. Und wenn sie mich ruft, bin ich da. In 20 Jahren kann ich ja meinen Lebensabend in Südtirol verbringen und im Ötzi-Kostüm vor Bustouristen auftreten.
Vielen Dank für das Gespräch!

»Der Mann aus dem Eis« (ab 30. November im Pk Ost), BRD/Österreich/Italien 2017, R: Felix Randau, mit: Jürgen Vogel, André M. Hennicke, Axel Stein u.a. Zum Trailer: http://youtu.be/zgoeJ02ZHFE

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