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»Spaß darf manchmal auch derb sein« – Christian Kühn zu 20 Jahren Comödie im WTC
Christian Kühn zu 20 Jahren Comödie im WTC
■ Ein Boulevardtheater in Dresden – vor 20 Jahren war allein der Gedanke daran eine Zumutung für die Gralshüter der hehren und hohen Künste. Inzwischen gibt es zwei Boulevardtheater in Dresden und zudem hat sich eine quietschfidele Comedy-Szene entwickelt. Während 1996 die »Komödie« noch mit einem leicht angestaubten Klassiker von 1934, »Dr. med. Hiob Prätorius« eröffnet wurde, wird in der »Comödie« von heute mit »Alfons Zitterbacke« oder mit »Tussipark« und »Scharfe Brise« gepunktet. 2011 übernahm Christian Kühn die Intendanz von Sachsens größtem Privattheater mit über 640 Plätzen. Mit DRESDNER-Herausgeberin Jana Betscher unterhielt er sich über Theaterspiel über und unter der Gürtellinie.

Seit fünf Jahren liegt die Intendanz und damit auch die programmatische Ausrichtung der Comödie in deinen Händen. Welche Entwicklungen gab es seither?

Christian Kühn: Ich bin seit zehn Jahren hier am Hause, ich habe als Schauspieler begonnen. Als ich die Intendanz antrat, war ich bestrebt, auch die Leute meiner Generation für Boulevardtheater zu begeistern. Das Genre frischer und dynamischer, also auch zeitgemäßer zu denken.

Welche Überlegungen gab es hierzu?

Christian Kühn: Wir haben damit angefangen, junge Prominente ans Haus zu holen. Bürger Lars Dietrich oder auch Jeanette Biedermann, mit Stücken und Themen wie unsere Karaoke-Komödien »Machos auf Eis« oder »Tussipark«. Stücke, die eben nicht im klassischen Wohnzimmerambiente mit Rüschengardinen spielen, sondern eben im Kühlhaus eines Restaurants oder in einem Parkhaus.

Und das reicht schon aus?

Christian Kühn: Nicht ganz, wir orientieren uns auch an den Sehgewohnheiten, wie sie die Leute aus dem Kino oder dem Fernsehen kennen. »Tussipark« zum Beispiel ist eine Mischung aus »Sex in the City« und »Hangover«. Also die Darstellung eines starken Frauenquartetts mit vier völlig unterschiedlichen Charakteren. Wir haben viel ausprobiert, was weggeht von der klassischen Tür-auf-Tür-zu-Komödie, die wir selbstverständlich auch noch im Repertoire haben. Und es funktioniert. Wir haben das Publikum sehr verjüngt und erreichen mittlerweile eine sehr viel größere Altersspanne. Der Spagat geht auf.

Wie macht sich das in Zahlen bemerkbar?

Christian Kühn: Der Trend ist nach wie vor positiv. Wir haben während meiner Intendanz die Besucherzahlen in Folge immer wieder verbessern können. Wir sind 2011 mit etwa 50.000 Besuchern gestartet, hatten dann 2012 und 2013 78.000 und 92.000 Besucher. 2014 knackten wir die 100.000 und werden dieses Jahr mit etwa 135.000 Besuchern unser bestes Ergebnis bislang erzielen.

Und welche Stücke waren die erfolgreichsten?

Christian Kühn: 2016 war das »Ganz großes Kino« mit über 16.000 Besuchern, aber auch »Kalender Girls« mit unserer prominenter Damenbesetzung, gefolgt vom »Tussipark«. Und »Die Feuerzangenbowle« ist ein Dauerbrenner. Es ist unser Goldstück. Leider gibt es nur sehr wenige Stücke wie dieses, die die Leute über die Generationen und Zeiten hinweg gleichermaßen ansprechen und auch für die jungen Leute Kult sind.

Du arbeitest auch selbst als Autor...?

Christian Kühn: Einige Stücke schreibe ich selber. Ein Beispiel ist das Sommer open air nebenan im Hotel Elbflorenz, es ist eine besondere Location mit See und Bäumen. Da gibt es nicht viele Stücke, auf die wir zurückgreifen können. Dieses Jahr spielen wir dort »Eis Eis Baby«, ein Stück mit den Hits der 90er Jahre, das im Sommerurlaub am Strand spielt. In solchen Situationen ist es gut, der Location die Komödie direkt auf den Leib schreiben zu können.

Beim Boulevard schwingen ja immer mehr oder minder offensichtlich erotische Anspielungen mit. Wo ist ein Stück noch »sexy« und wann beginnt die Zote?

Christian Kühn: Bei einer Komödie mit drei Bademeistern wie in »Scharfe Brise« liegt der erotische Faktor natürlich nahe, zumal wenn sie nur Badehosen tragen. Da muss man dann gar nicht mehr so viel dazu schreiben, sondern gucken, dass man jemanden besetzt, der in der Badehose auch eine gute Figur macht. Schließlich treffen nun mal Frauen zu 90% die Kaufentscheidung beim Theaterbesuch. Ansonsten gehören in einem breitgefächerten Spielplan eines Komödienhauses die Zote, der Klamauk und auch mal ein derber Kalauer einfach dazu. Ich finde es schade, wenn der Klamauk als Vorwurf kommt. Auch Klamauk will gekonnt sein. Unser Ziel ist das Lachen der Leute und dabei wollen wir offen sein für jeden Humorgeschmack. Da darf Spaß manchmal auch mal derb sein oder die Gürtellinie tangieren. Als Gegengewicht haben wir dann auch feingeistige Komödien ohne Schenkelklopf-Faktor im Programm.
Vielen Dank für das Gespräch!

Aktuelle Uraufführung: »Der Nanny« nach dem gleichnamigen Film von Matthias Schweighöfer mit Carsten Strauch in der Titelrolle. Nächste Termine: 11. bis 15. Januar. Als besonderes Gimmick für das Frühjahr kann sich das Publikum aus 5 Komödien seinen Favoriten wählen, der dann im Mai zur Aufführung gebracht wird. Die Bandbreite reicht von »Honig im Kopf«, über den Multi-Kulti-Boulevardhit »Achtung deutsch!« bis zur Gentrifizierungskomödie »3 Morde, Küche, Bad«. Alle weiteren Infos: www.comoedie-dresden.de

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