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Road Warriors – Uriah Heep im Interview (Foto. Richard Stow)
Uriah Heep im Interview (Foto. Richard Stow)
■ Als Gitarrist und letztes verbliebenes Gründungsmitglied der britischen Rock-Ikonen Uriah Heep hat Mick Box über die Jahre einiges erlebt. Ein Gespräch mit DRESDNER-Autor Matthias Hufnagl über die frühen Siebziger, verstorbene Weggefährten, neue Songs und die Herausforderungen eines 50-jährigen Jubiläums.

Das kommende, neue Album trägt den Titel »Chaos & Colour«. Von der Negativität einer Pandemie hin zum positiven Erlebnis durch Musik?

Mick Box: Absolut. Chaos steht für die wirren Zeiten, in denen wir leben. Viele Menschen haben mir erzählt, dass Musik ihnen geholfen hat, das alles durchzustehen. Dafür steht die Farbe. Musik ist ein so mächtiges Medium. Ich treffe immer wieder Fans, denen unsere Songs durch schwierige Phasen geholfen haben. Beim Texten geht es uns ohnehin immer um Positivität.

Die Platte schließt mit dem Stück »Closer To Your Dreams«. Ein Appell an den musikalischen Nachwuchs, nicht nachzulassen?

Mick Box: Den Song haben unser Keyboarder Phil und ich gemeinsam geschrieben. Eine Motivation für junge Bands, einfach rauszugehen und loszulegen, auch wenn es heutzutage alles ungleich schwieriger ist. Es ist ein ganz anderes Spiel, schon alleine durch die Mentalität Musik immer und überall kostenlos hören zu wollen. Als wir auf der Bildfläche auftauchten, war das Musikgeschäft ein völlig anderes.

Inwiefern?

Mick Box: Unterschrieb man bei einer Plattenfirma, dann in der Regel gleich für 6 oder 7 Alben. Man wuchs gemeinsam mit dem Label. Ein kreativer Prozess, der es der eigenen Musik ermöglichte, sich in die gewünschte Richtung zu entwickeln. Das kann man mit heutigen Plattenfirmen nicht mehr vergleichen. Der Song soll ermutigen, die Herausforderung anzunehmen und die Musik einfach machen zu lassen.

In den 70er Jahren gehörte Uriah Heep mit zur ersten Riege tourender Bands. Einer Ära, die meine Generation nur aus Songs, Büchern, Podcasts und Filmen kennt. Bequeme Nightliner gab es noch nicht … ?

Mick Box: Damals war es wirklich hart, unterwegs zu sein. Man reiste in Vans mit der kompletten Ausrüstung im Rücken. Alles ziemlich einfach, das wuchs erst nach und nach.

Eine spannende Zeit?

Mick Box: Definitiv. Die 70er Jahre waren wie eine Rebellion, eine musikalische Revolution. Bands wie Uriah Heep, Deep Purple und Led Zeppelin standen, ohne es zu wissen, am Anfang der Geschichte. Die 60er Jahre waren gerade erst vorbei. Eine Ära meist lieblicher Songs, mit Musikern in Anzügen, die ihre Tanzschritte zeigten und sauber geschnittene Frisuren hatten. Dann kamen wir, mit unseren langen Haaren, Schlaghosen, Absatzschuhen, Marshall-Verstärkern und großen Lautsprecheranlagen. Größer, besser und lauter. Noch heute wird die Musik von damals gerne gehört, egal ob live oder zu Hause. Die Songs haben den Test der Zeit bestanden.

Wenn es um den Urknall des Britischen Hard Rock geht, ist oft von Black Sabbath, Led Zeppelin oder Deep Purple die Rede. Uriah Heep wirken oftmals unterrepräsentiert?

Mick Box: Ich würde lügen zu sagen, dass mir das nicht bewusst ist und ich nicht auch schon darüber nachgedacht habe. Weil wir aber sowieso immer der Underdog waren, hat mich das nie wirklich gestört. Nach über 40 Millionen verkauften Alben und Tourneen durch 62 Länder sind wir immer noch unterwegs und feiern unser 50-jähriges Jubiläum. Irgendetwas müssen wir richtig gemacht haben.

Ist es eine Herausforderung, eine Setlist für eine Show zum 50. Jubiläum wie in Dresden zu erstellen? Die Fans wollen doch sicher viele alte Nummern hören … ?

Mick Box: Ein bisschen schwierig ist das schon. Wir würden dem Publikum natürlich gerne auch neue Musik vorstellen. Gefeiert wird aber 50-jähriges und nicht das 53-jährige Jubiläum. Genauso wie vor der Verschiebung durch die Pandemie angekündigt – mit Songs aus dem Repertoire seit 1970.

1972 wurden mit »Demons and Wizards« und »The Magician’s Birthday« gleich zwei wegweisende Alben veröffentlicht. Ein Jahr, das den Sound der Band bis heute definiert?

Mick Box: Schon 1970 mit unserem ersten Album » ... very ’eavy ... very ’umble« hatte sich mit der Hammondorgel und einer besonderen Harmoniearbeit herauskristallisiert, wie Uriah Heep klingen wird. Das haben wir seitdem beibehalten. Wir verwenden Harmonie auf eine sehr einzigartige Weise, nicht wie üblich nur im Refrain, sondern fast schon als ein Instrument. 1972 wurden zwei Alben veröffentlicht, weil Plattenfirma und Management darauf drängten, den Schwung beizubehalten. Wir waren neun Monate lang auf Tournee und gingen direkt ins Studio. Road Warriors mit guten Ideen im Gepäck.

Stimmt es, dass ihr bei ersten US-Auftritten nicht einmal Merchandise dabei hattet?

Mick Box: Die erste Tournee in den USA war als Vorband von Three Dog Night, einer damals wirklich großen Popband. Musikalisch passte das gar nicht, war aber eine wichtige Erfahrung für uns. Schon die erste Show spielten wir in Indianapolis vor etwa 10.000 Leuten. Noch nie hatten wir vor einer so großen Menschenmenge gespielt. Tatsächlich hatten wir da noch kein Merchandise am Start. Das war damals nicht wirklich üblich. Erst als das Geschäft größer wurde, kamen nach und nach all diese Dinge, mit denen man Geld verdienen kann. Schau dir die Beatles an. Die hatten auch kein Merchandising. Später dann, aber nicht, als sie all ihre Konzerte spielten.

Von 1998 bis 2008 veröffentlichten Uriah Heep kein Studioalbum. Warum?

Mick Box: Das hatte nichts mit der Band zu tun. Wir waren bereit, Platten aufzunehmen und normal weiterzumachen. Damals hatten wir unsere Plattenfirma verlassen. Zur gleichen Zeit gab es die Internet-Explosion mit Napster & Co. Die Plattenfirmen konnten nichts dagegen ausrichten. Sie wurden mit heruntergelassenen Hosen erwischt, hatten die Entwicklungen verpasst und einige verschwanden sogar ganz. Alles war in Aufruhr. Erst etwa 10 Jahre später fanden wir wieder ein Zuhause für unsere Aufnahmen. Eine Dekade, in der wir eine Menge Live-DVDs veröffentlicht haben und viel getourt sind. Wir waren immer auf der Straße, bis sich irgendwann alles etwas beruhigt hatte. Dann haben wir das Album »Wake The Sleeper« bei Universal herausgebracht und die ganze Sache neu aufgerollt.

Schaut man sich Cover des Albums »Wonderworld« aus dem Jahr 1974 an, bist du der letzte Überlebende, der darauf abgebildeten Bandmitglieder … ?

Mick Box: Auf dem Cover von »Sweet Freedom« ist es noch krasser. Da stehe ich am Ende der Reihe und alle vor mir sind schon gestorben. Ziemlich gruselig.

Hält einen die Band dennoch jung?

Mick Box: Ich mache Musik, grüble über Songs und Texten, reise um die Welt und treffe Leute. Das hält einen überaus lebendig. Man verrottet nicht daheim im Sessel, sondern ist draußen und aktiv. Das ist das Wichtigste.
Vielen Dank für das Gespräch!

Uriah Heep spielen am 8. Dezember im Kulturpalast. Chaos & Colour, das neue Album, erscheint am 27. Januar 2023. Mehr zur Band: www.uriah-heep.com

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