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Relevanz für den Alltag – Das Kupferstich-Kabinett hat mit Stephanie Buck eine neue Chefin
Das Kupferstich-Kabinett hat mit Stephanie Buck eine neue Chefin
■ Mit einer halben Million Arbeiten ist das Kupferstich-Kabinett eines der größeren Kaliber der Staatlichen Kunstsammlungen, dennoch scheut es ein wenig das Licht der Öffentlichkeit. Und zwar im wörtlichen Sinne und mit gutem Grund. Die neue Direktorin Stephanie Buck hat DRESDNER-Redakteur André Hennig erzählt, warum das so ist, was es mit dem Studiensaal auf sich hat und was im Kabinett demnächst passiert.

Sie haben einmal gesagt, das Dresdner Kupferstich-Kabinett sei einer der schönsten Orte der Welt. Warum ist es das?

Stephanie Buck: Die Sammlung hat einfach eine Größe, die welthaltig ist. Sie hat einen ganz eigenen Charakter. Es wird in den nächsten Jahren für mich darum gehen, den zu beschreiben und das Besondere herauszustellen. Ich empfinde die Offenheit hier sehr schön: Es gibt den Studiensaal, den es kaum irgendwo in dieser Weise und in dieser Großzügigkeit gibt, der für jeden zugänglich ist. Das ist vielleicht vielen gar nicht bewusst.

Im Studiensaal kann sich der Besucher auf Wunsch Grafiken seiner Wahl aus den Beständen zeigen lassen. Wie sehr wird dieses Angebot denn angenommen?

Stephanie Buck: Um Zahlen geht es vielleicht gar nicht so sehr, sondern eher um das Angebot, dass auch das breitere Publikum einfach kommen und klingeln kann. Hier kann man sich selbstbestimmt und ganz konzentriert die Dinge ohne Glas und Rahmen anschauen und dazu gibt es noch eine Gesprächsmöglichkeit. Das kann man in einem Museum sonst so nicht erleben.

Das Kupferstich-Kabinett ist mit mehr als einer halben Million Kunstwerke eine der ältesten und bedeutendsten grafischen Sammlungen der Welt. Damit müsste es doch in puncto Bekanntheit und Strahlkraft mit den Alten Meistern konkurrieren können ...?

Stephanie Buck: Es muss nicht konkurrieren, es ist etwas ganz anderes. Das ist bei grafischen Sammlungen häufig so, weil die Bestände sehr fragil und lichtempfindlich sind und man sie nicht einfach auf Dauer an die Wand hängen kann. Wenn man das tun würde, würden sie vom Licht zerstört werden. Deshalb ist eine grafische Sammlung natürlich weniger sichtbar. Diese Fragilität der Werke ist etwas, was es anders macht, deshalb kann es auch gar nicht konkurrieren. Das muss einem klar sein.

Gäbe es nicht mittlerweile die technischen Möglichkeiten, Licht einzusetzen, das die Werke nicht schädigt?

Stephanie Buck: Licht ist Licht. Es hat verschiedene Wellenlängen, die man auch teilweise rausfiltern kann, aber nicht völlig. Es gibt dazu auch Forschungen, die aber noch nicht ausführlich getestet sind. Bis man die einsetzt, muss man sehr vorsichtig sein. Eine unserer Aufgaben, letztendlich die wichtigste, ist, die Sammlung so zu schützen, dass sie für die nächsten Generationen auch noch verfügbar ist. Wir können sie nicht einfach so konsumieren. Wir müssen eine Balance halten zwischen zeigen und schützen.

Haben Sie seit in den vergangenen Monaten bei Ihren Ausflügen in die Sammlung etwas entdeckt, was Sie demnächst zeigen wollen?

Stephanie Buck: Im Mai wollen wir für vier Wochen eine Sammlungspräsentation bringen, die wir »Blickwechsel« nennen. Die Idee dabei ist, dass wir je ein Werk aus den anderen Teilen der Staatlichen Kunstsammlungen einem Werk aus unseren Beständen gegenüberstellen. Damit wollen wir einen Einblick geben, wie man eine Sammlung in einen Kontext setzen kann. Es geht um eine Gegenüberstellung, die die Sachen zum Sprechen bringt, die aus der Normalität des Erwartbaren ausbricht. Im Sommer wollen wir dann Timm Rautert mit älterer Druckgrafik in Dialog bringen, das wird sicher sehr spannend. Im Herbst gibt es dann römische Druckgrafik und nächsten Frühling indische Miniaturen. Es ist mir wichtig, die Fülle dieser Sammlung vorzustellen. Und sicher werden wir in Zukunft auch mit Partnern arbeiten.

Das Kupferstich-Kabinett ist laut Marketing ein »Museum, in dem die Welt zu Hause ist«, aber mit der Welt hat Dresden ja mitunter auch ein kleines Problem. Gibt es eine Möglichkeit, Weltzugewandtheit auch im musealen Kontext in irgendeiner Weise zu befördern?

Stephanie Buck: Durch Offenheit! Man kann das bei jeder Führung ansprechen und man kann es auch in Themen packen. Da braucht die Vorbereitung aber natürlich einiges an Zeit. Bei solchen Sachen wie »Blickwechsel« geht es ja auch darum, das Denken ein wenig zu öffnen, infrage zu stellen, was normal ist.

Kann man damit eine Relevanz erreichen, die in den Alltag der Leute hineinreicht?

Stephanie Buck: Es kommt darauf an, wie man Alltag versteht, ob man glaubt, ein Museumsbesuch sei nicht Alltag. In England etwa ist ein Museumsbesuch viel gängiger und normaler. Ich fände es wichtig, dass man die Sammlungen als Alltag empfinden lernt. Wenn das so wäre, hätte es auf jeden Fall Relevanz für den Alltag, in emotionaler und auch in intellektueller Hinsicht. Es sollte Alltag sein, überall!

In England ist die wirtschaftliche Hemmschwelle natürlich auch niedriger – da ist ein Museumsbesuch oft kostenlos...?

Stephanie Buck: Bei uns auch! Im Studiensaal!
Vielen Dank für das Gespräch!

Mehr zum Kupferstich-Kabinett unter: www.skd.museum/de/museen-institutionen/residenzschloss/kupferstich-kabinett/index.html?tx_eventcal_pi1%5Bdiff%5D=5

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