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Patriarchat heißt das Problem – Im Porträt: Ulla Heinrich
Im Porträt: Ulla Heinrich
■ Ulla Heinrich studierte Kulturpädagogik und -vermittlung. Am Europäisches Zentrum der Künste in Hellerau leitet sie u.a. das interkulturelle Gartenprojekt Golgi Park. Zudem gehört sie zum Organisationsteam des queerfeministischen Konzertkollektivs »böse & gemein«, das Punkmusikerinnen in den Fokus rückt. Anlässlich der Neuausgabe des »böse & gemein«-Festivals in der Scheune hat sich mit ihr DRESDNER-Autorin Marlen Hobrack unterhalten.

Böse & gemein will weibliche Positionen auf der Bühne stärken. Warum ist die Live-Musik-Szene nach wie vor so männlich geprägt?

Ulla Heinrich: Die Szenen richten sich an männlichen Bedürfnissen aus. Das ist zum Davonlaufen. Ich sage nicht, dass Frauen und FLTI* (Frauen, Lesben, Trans- und Intersexuelle, Anm. d. Red.) »softe« Atmosphären brauchen, ich sage nur, dass toxische Maskulinität dafür sorgt, dass Frauen sich aus Musikszenen fernhalten. Zudem gibt es ein Problem mit Belästigung und sexueller Gewalt, wie im Rest der Gesellschaft.

Im Punk spielten Frauen eine wichtige Rolle. Ihr Einfluss ist kaum noch spürbar …?

Ulla Heinrich: Es stimmt, Frauen und Pocs (people of color, Anm. d. Red.) waren im Punk zu Beginn dominant und tonangebend. Wie immer wurden die Errungenschaften von Frauen aus der Geschichte radiert, die HerStory of Punk ist immer noch ungeschrieben, dafür gibt es Chronologien mit jedem Furz, den ein Mann im Punk abgelassen hat.

Woher kommt deine Liebe zum Punk?

Ulla Heinrich: Ich habe mich schon früh entfremdet gefühlt von dem ganzen Quatsch, der um mich herum passiert ist, und mich deshalb musikalischen Subkulturen zugeordnet. Aber wirklich eher alleine und als Nerdin. Aber ich bemerkte auch irgendwann, dass für mich als Frau* im Punk eigentlich kein Platz ist und dass ich, egal wie viel ich für die Szene leiste, immer wieder beispielsweise auf mein Aussehen reduziert werde. Da hatte ich überhaupt keinen Bock mehr drauf.

War das auch der Zeitpunkt, an dem Feminismus für dich bewusst ein Thema wurde?

Ulla Heinrich: Tatsächlich ist das Ungerechtigkeitsempfinden die Grundlage für mein feministisches Engagement. Ich habe Feminismus leider erst viel zu spät kennengelernt. Die ganze Riot Grrrl-Sache hat mich überhaupt nicht erreicht, ich war eher die Generation Spice Girls. Aber plötzlich gab es für die ganzen Abwertungen, die ich mir bieten lassen musste, ein Wort, über das ich mich sogar mit anderen verbinden konnte: Feminismus. Das war schon life-changing: Das Gefühl zu haben, dass man nicht das Problem ist, sondern dass das System, das Patriarchat heißt, das Problem ist.

Haben die Leute Angst vor bösen, gemeinen Frauen?

Ulla Heinrich: Der Trick beim böse&gemein-Kollektiv ist ja, dass wir eine offene, kommunikative und freundliche Gruppe sind. Wir legen sehr viel Wert auf gute Gesprächskultur und darauf, Menschen »mitzunehmen«. Wir selbst spielen also mit dem Klischee von der bösen oder hysterischen Frau*, zu der Frauen ja schnell gemacht werden, sobald sie sich für Gerechtigkeit einsetzen. Wenn jemand Scheiße baut, können wir aber natürlich sehr böse&gemein werden, das ist auch klar.
Liebe Ulla, danke für das Gespräch!

böse & gemein, queer-feministisches Festival vom 22. bis 24. Juni mit Konzerten, Vorträgen und Workshops in der Scheune: www.facebook.com/boeseundgemein666/

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