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Nicht zu fassen – Joey Bargeld im Interview (Foto: Julian Hülser)
Joey Bargeld im Interview (Foto: Julian Hülser)
■ Via Schalte an die Waterkant bekommt DRESDNER-Autor Matthias Hufnagl den sympathischen Hamburger an die Strippe, um sich mit ihm über schwindende Subkulturen, KitschKrieg, »Punk Is Dead« und Beats in Moll zu unterhalten.

Dein Debüt trägt den Titel »Punk Is Dead«. Geht es dabei um Einstellung oder Musik?

Joey Bargeld: Das ist nicht musikalisch gemeint. Es dreht sich um die Gleichschaltung, welche durch das Internet vollzogen wird. Alle tragen und sehen dasselbe, niemand beschwert sich mehr wirklich. Klimaaktivisten und junge Leute, die sich über die Welt informieren sind zwar ein kleiner Gegenpol, im Großen und Ganzen aber gibt es kaum noch Subkulturen, die sich abgrenzen.

Woher kommt die enorme stilistische Bandbreite deines Werks – von Synthie-Disco beim Stück »Dancing Shoes« bis hin zu Ska bei »Trotzdem«?

Joey Bargeld: Familie und Freunde. Je nach Stimmungslage habe ich mein Leben lang querbeet gehört. Auch im Studio mache ich Rock’n’Roll, wenn mir nach Rock’n’Roll ist und Rap, wenn mir nach Rap ist.

Wirst du musikalisch Hip-Hop und Rap längerfristig hinter dir lassen?

Joey Bargeld: Rap ist für Kinder, eine Art Jugendmusik. Vielleicht wachen die Rapper ja in den nächsten Jahren auf, machen nicht mehr so auf dicke Hose und gestalten das Ganze etwas menschenfreundlicher. Alles etwas softer, auch mal depressiv sein und ein bisschen mehr Gefühle und Schwäche zeigen. Das finde ich gut.

Hat der Kosmos des KitschKrieg-Produzententeams deine Karriere beschleunigt?

Joey Bargeld: Das war auf jeden Fall eine Unterstützung. Ich war immer am Zweifeln, ob ich weitermache und alles raus bringen soll. Dann wurde ich ermutigt, die Sache ernst zu nehmen. Das war schon eine Starthilfe.

Dein erstes Album hast du zusammen mit Darko Beats produziert. Warum?

Joey Bargeld: Das war alles organisch. Nach den EPs hatte ich Bock, dass Debüt mit Darko zu machen. Wir sind schon immer eng verbandelt und ich bin sehr zufrieden.

Deine Songs sind oft melancholisch ... ?

Joey Bargeld: Das kommt von alleine. Auch, wenn ich zu Hause einen Beat mache, ist es Moll. Selbst ein Partysong wie »Party x Leben« mit KitschKrieg ist melancholisch und traurig. Schon als kleiner Junge war ich eher nachdenklich. Ich bin gern melancholisch, lache im Privaten aber auch viel.

Bonez MC von der 187 Strassenbande ist dein Onkel und hat dich zum Rap gebracht?

Joey Bargeld: Angefangen zu rappen habe ich vor ihm, aber er ist konsequenter gewesen. Schon als wir klein waren, hat er immer auf die Beats aus den USA gerappt – am Ende, wenn die Stücke auslaufen. Ich habe es irgendwann erst mal gelassen, er hat weiter gemacht.

Später hat sich euer Style immer deutlicher voneinander unterschieden ...?

Joey Bargeld: Deswegen kamen wir auch musikalisch nie richtig zusammen. Ich habe eher Spaß-Party-Rap gemacht, er ging Richtung Gangsta-Rap.

Du bist Liebling der Kritiker, hast aber vergleichsweise geringe Klickzahlen. Wie kommt‘s?

Joey Bargeld: Die Kritiker sind auf meiner Seite, für normale Fans ist es schwieriger zu greifen. Die Klickzahlen sind weniger als ich dachte, aber als Fundament für meine Zukunft kann ich darauf aufbauen. Ich muss einfach noch mehr Musik rausbringen.

Angefangen Battlerap zu veranstalten hast du in der Kneipe deines Vaters?

Joey Bargeld: Zusammen mit einem Kollegen hatte er eine Rockabilly-Bar. Als die umgezogen ist, wurde der Raum frei und ich durfte rein. Dort haben wir dann Partys, Freestyle-Battles und Reggae-Partys veranstaltet. Nach einem knappen Jahr war das Geld alle. Die meisten Gäste haben wenig gesoffen und wenn, dann auf unsere Rechnung. Außerdem war die Esso Tankstelle aufm Kiez direkt gegenüber. Da konnten die Leute billig ihr Bier holen.

Trägst du bewusst keine Marken zur Schau?

Joey Bargeld: Früher habe ich gern Markenklamotten getragen und mir die meistens irgendwo geklaut. Dann habe ich angefangen, mir Gedanken um die Rap-Szene und die Konsumgesellschaft im Allgemeinen zu machen. Verstärkend hinzu kommt jetzt noch der Ökogedanke – Themen wie Plastik, aber auch Arbeitsbedingungen.

Wird sich das im Hip-Hop durchsetzen?

Joey Bargeld: In den nächsten Jahren werden immer mehr Künstler auf diesen Zug aufspringen – Dinge entweder selber machen, oder zumindest Fairtrade-Klamotten tragen. Auch Nike und Adidas werden in zehn Jahren Fairtrade und ohne Plastik produzieren. Ich hoffe, das wird zur Normalität und sich über den Verbraucher regeln.

Im Text zu »Trotzdem« heißt es: »Egal wo ich bin, ich fühl’ mich nicht zugehörig«. Chance, oder Bürde?

Joey Bargeld: Sich nicht zugehörig zu fühlen, ist schon eher eine Bürde.

Am Anfang des etwas älteren Tracks »Drogen« steht der Satz: »Weil der Mensch sich sucht, ist er süchtig.« Bist du auf der Suche?

Joey Bargeld: Schon als junger Spund habe ich einen Hang zu allen möglichen Suchtmitteln entwickelt. Zigaretten, Alkohol, Gras und später die härteren Sachen. Irgendwann entdeckte ich Musik als Möglichkeit, ernstzunehmende Dinge zu machen, auf die ich aufbauen kann. Daher würde ich sagen, dass ich zwar noch suche, meinen Platz aber auch schon gefunden habe.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das am 27. März in der Chemiefabrik geplante Konzert mit Joey Bargeld ist wg. Präventionsmaßnahmen gehen den Corona-Virus abgesagt. Ein Ersatztermin steht derzeit noch nicht fest; mehr zum Künstler: http://www.youtube.com/channel/UCqGCrDDU-hhw46kxuCubsoA

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