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Musik, die bleibt – Drangsal im Interview (Foto: Max vom Hofe)
Drangsal im Interview (Foto: Max vom Hofe)
■ Max Gruber aka Drangsal im Gespräch mit DRESDNER-Autor Matthias Hufnagl über sein neues Album, den Umgang mit Kritik und das Hadern mit der Vergangenheit.

Ist »Exit Strategy«, der Titel deiner neuen Platte, bewusst in Englisch gehalten, um die Schatten der Heimat abzuschütteln?

Drangsal: Voll. Die kommen ohnehin in vielen anderen Facetten meines Schaffens vor. Ein englischer Begriff musste her und mit ihm ein möglichst großer Bruch zu dem, was vorher war. Das hat sich auserzählt. Künstlerisch und emotional geht es darum nicht mehr.

Die Stücke auf dem neuen Album sind eingängig, erzeugen eine leichte Verständlichkeit ... ?

Drangsal: Die Frage war, wie viel Vertracktheit ich aussieben kann, ohne an Eigenheit einzubüßen? Schon bei vorherigen Platten war das Alleinstellungsmerkmal meiner Musik, sich dem Pop-Punk zu verwehren – durch seltsame Tonartwechsel, mit kurzen Soli oder kleinen Passagen, die zwischen Strophe und Refrain kleben. Mich interessiert, wie sehr man Struktur auf etwas Klassisches reduzieren kann, ohne dass es doof wird.

Im ersten Stück der Platte, »Escape Fantasy« singst du von alten Bildern, die dich blenden und die du auszublenden versuchst. Ein Kraftakt?

Drangsal: Vor kurzem wurde ich gefragt, wie ich mich bei der Platte fühle. Die Antwort ist: Mir geht es schlechter. Auch wenn die Stücke stellenweise heiter, stürmisch, und euphorisch klingen, konfrontiere ich mich hier thematisch zum ersten Mal extrem mit mir selbst. Nicht im klassischen Coming-of-Age-Stil, sondern aus einer tief verwurzelten Unzufriedenheit mit der Vergangenheit und dem eigenen Ich.

Ein Blick in den Rückspiegel?

Drangsal: Man muss eine Weile da sein und agieren, bevor man genug angehäuft hat, auf das sich zurückblicken lässt. An dem Punkt bin ich jetzt. Vieles davon finde ich kacke und passt mir nicht mehr in den Kram.

Was genau meinst du damit?

Drangsal: Dinge, die ich gesagt und gemacht habe, lassen sich nicht mehr mit der Art und Weise vereinbaren, wie ich mich jetzt fühle. Es gab eine Zeit, in der ich mich bewusst dafür entschieden hatte, ein Arschloch zu sein. Das muss nicht sein.

Wie war die Reaktion auf die zweite Vorabsingle »Mädchen sind die schönsten Jungs«?

Drangsal: Gut, aber es gab schon auch Diskussionen und Kritik. Das ist in Ordnung. Bei so einem sensiblen Thema kann ich keinen Freifahrtschein erwarten. Positives Feedback ist kein Argument gegen negative Rückmeldungen. Selbst wenn die Intention gut ist, kann sie verletzen. Ich muss mir schon anhören, wenn jemand textlich beschissene Narrative bedient sieht, auch wenn das nicht dem entspricht, was ich wollte. Natürlich gibt es Grenzen: Ich muss mich nicht beleidigen lassen. Darauf gehe ich erst gar nicht ein.

Stichwort: »Ein Lied geht nie kaputt«: Die Beziehung zu Songs als unzerstörbar?

Drangsal: Egal wie sehr du dich im Laufe der Zeit veränderst: »Pinhead« von den Ramones wird für dich immer genauso klingen und …

… das gleiche Gefühl erzeugen?

Drangsal: Genau. Dein Auto wird kaputt gehen, du wirst zehnmal umziehen, Beziehungen enden, die Haare fallen aus und Gegenstände zerschellen – aber so abgedroschen es klingt: Ein Lied geht nie kaputt.

Hast du ein Beispiel parat?

Drangsal: »Hybrid Moments« von den Misfits wurde 1978 aufgenommen. Das ist 43 Jahre her und es ist immer noch unumstößlich in Stein gemeißelt. Dieser Song wird für immer da sein. Vielleicht gibt es eine Art und Weise, wie Lieder kaputtgehen können: wenn sich zum Beispiel das Verhältnis zum Künstler verändert. Trotzdem finde ich es ein schönes Bild, dass Musik bleibt. Wenn wir live spielen, wird das unser Opener sein.

Stimmt es, dass du als Kind Songs auf Fantasie-Englisch geschrieben hast?

Drangsal: Ich habe mir vorgestellt, ich bin Sänger und die Band heißt wie ich: Max. Am Ende ist es ja irgendwie auch so gekommen – nur, dass aus dem Fantasie-Englisch Fantasie-Deutsch wurde.
Vielen Dank für das Gespräch!

Aktuelle Termine sowie Daten zur Tour im nächsten Frühjahr finden sich unter www.drangs.al

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