DRESDNER Interviews / O-ton!
Musik als Kunstform verstehen – Im Gespräch mit Robert E. Smith zu seinem Bandprojekt I’m Your Stalker (Foto: Susann Bürger)
Im Gespräch mit Robert E. Smith zu seinem Bandprojekt I’m Your Stalker (Foto: Susann Bürger)
■ Im Video zu »The Last Dance« kündigt der seit 2003 in Dresden lebende Londoner Colin Murphy, der sonst in der Uniklinik psychisch Kranke betreut, I’m Your Stalker als brand new Band an. Korrekt, denn das Soloprojekt von Robert E. Smith brauchte 14 Jahre, um zur Band zu reifen. Nun ist das Debüt erschienen. »Hollow« klingt in seinem reduzierten Sound avantgardistisch und retrospektiv, die Synthesizer-Drum-Beats sind hypnotisch, die Songs packend – unerhört für eine Dresdner Band. DRESDNER-Chefredakteur Heinz K. hat bei Robert E. Smith nachgefragt, was es damit auf sich hat.

Seit Gründung des Projektes I’m Your Stalker sind mittlerweile 14 Jahre vergangen. Was gab den Anlass, es wiederzubeleben?

Robert E. Smith: Der Anlass war die Zeit mit Corona, also zuhause zu sitzen und plötzlich nichts mehr zu tun zu haben. Ich arbeitete zum damaligen Zeitpunkt als Booker in der GrooveStation. Die Songs schwirrten mir all die Jahre im Hinterkopf herum. Ein paar davon sind herausgefallen, weil man sie 14 Jahre später selbst nicht mehr so gut findet. 2020 war einfach die Zeit dafür gekommen, weil die richtigen Leute, die ich für die komplette Band brauchte, verfügbar waren. Ein erster Startpunkt, um wieder zum Musikmachen zu kommen, war die Band Strg. Z, bei der ich seit knapp zwei Jahren Bass spiele. Dann habe ich gedacht: Ich habe doch alles da: ein Home-Studio, einen Proberaum und die Songs. Da mussten wir bloß noch einmal drübergehen.


Vom Sound her erinnert die 7-Track-EP »Hollow« an NDW-Ikonen wie DAF oder Neu und frühen, minimalistischen Wave à la Suicide. Was fasziniert dich an dieser Musik aus den späten 70ern und frühen 80ern?

Robert E. Smith: Als ich anfing mit dem Musikmachen, habe ich die Musik der 80er nicht so richtig verstanden. Mit 23 oder 24 habe ich dann den Zugang gefunden, weil ich mich immer mehr mit der Musikgeschichte beschäftigt habe, und dann erschloss sich mir da ein Stück von einem komplexen Kosmos an Künstlern, Musikern und Bands. Was von 1976 bis 1982 für tolle Platten herausgekommen sind! Dieser reduzierte und teilweise extreme Sound, wie er etwa von Throbbing Gristle oder den Bands der No-Wave-Szene aus New York kreiert wurde, war damals absolut, kompromisslos und vor allem neu. Diese Musik wird nie alt werden und immer frisch bleiben. Für mich die spannendste Zeit der Musikgeschichte, wo unglaublich viel zur gleichen Zeit entstanden ist. Deswegen bin ich da auch etwas hängen geblieben, mit dem DJ-Team Culture Club seit mittlerweile zehn Jahren.


Was hat es damit auf sich, dass ihr »The Killing Moon« von Echo & The Bunnymen gecovert habt?

Robert E. Smith: Das ist tatsächlich einer meiner Lieblingssongs. Immer wenn dieser Song lief, lagen wir uns alle in den Armen. Bei unserer Coverversion sind die Akkorde anders als im Original, und irgendwann habe ich spätnachts den Songtext drüber gesungen und es passte total. Das Original ist eine Begleiterscheinung meines Lebens, den kann ich fast jeden Tag zu jeder Zeit hören.


Warum heißt die Platte »Hollow«? Entspricht das deiner Grundstimmung?

Robert E. Smith: Tatsächlich ist es der Zeit geschuldet. Während Corona schien sich vieles in meinem Leben aufzulösen, die Arbeit, das Sozialleben. Eine Zeit, in der man dasaß und sich sagte: »Krass, das habe ich jetzt 15 Jahre gemacht und das ist jetzt alles nichts mehr wert«. Es gibt auch eine Analogie zu den Songs, die immer da, aber eben nicht ganz fertig waren, irgendwie unsichtbar. Auch John (Synthies, Bass), Simon (Drums) und Bernd (Gitarre, Keys) ging es in der Zeit ähnlich und wir haben uns unter anderem auch mit dem Projekt gegenseitig gestützt.


Wann geht es auf Tour?

Robert E. Smith: Mit so einem Bandnamen ist das gar nicht so einfach. Früher gab es vielleicht mehr Verständnis für eine ironische, überspitzte Selbstbezeichnung, die menschliche Abgründe thematisiert. Heute scheint das nicht mehr so. Selbst aus dem Freundes- und Bekanntenkreis bekommt man dann zu hören: »So könnt ihr euch doch nicht nennen!« Ich verstehe natürlich, dass der Name bei einigen total triggert und negative Erinnerungen weckt. Aber so ist Kunst nun mal auch.
Mit Touren als kleine Band ist es aber gerade generell wegen Corona noch schwierig. Im nächsten Jahr wollen wir dann in Berlin, Leipzig, Hamburg und ein paar anderen Städten Clubshows spielen.

Was erwartet ihr da für ein Publikum?

Robert E. Smith: Hoffentlich Menschen, die offen sind und Bock auf Musik haben. Wir haben seit dem Release im September schon um die 100 Platten verkauft, und das ist für uns, die wir gerade mal anfangen, recht gut. In England, Italien und Frankreich liefen einige Songs schon bei kleineren Online-Radios. Und natürlich ist ein nicht mehr ganz junges Publikum da auch aus dem eigenen Erleben näher an der Musik dran.


So wie eine neue Generation Krautrock und Psychedelic für sich entdeckt hat, könnte sie auch No Wave für sich entdecken?

Robert E. Smith: Generell gibt’s ja kaum noch richtige »Szenen«, aber es gibt eine Menge Leute, die sich mit der Musikgeschichte beschäftigen. Meines Erachtens leben Post-Punk und No Wave aber auch mehr von der individuellen Auseinandersetzung als vom Gemeinschaftsgefühl wie beim Psychedelic. Gerade No Wave war Ende der 70er nur eine kleine Szene, aus der später Namen wie Sonic Youth, Lydia Lunch oder Jim Jarmusch hervorgegangen sind. Diese kleine Epoche der Musikgeschichte war nie ganz vergessen, aber der Zugang ist nicht ganz so einfach. Da sind die dunklen Seiten des Lebens und wie beim Punkrock auch, ganz viel Depression als Startpunkt im Schaffensprozess. Da ist eben nicht alles schön.
Vielen Dank!

Update: Die am 16. November 2021 im Ostpol geplante Record-Release-Show zum EP-Debüt »Hollow« von I’m Your Stalker ist aus gegebenem Anlass auf den 29. März 2022 verschoben worden; mehr unter www.blood-service.com

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