DRESDNER Interviews / O-ton!
»Man sollte seine Energie für ein Miteinander einsetzen, nie für ein Gegeneinander« – Im Gespräch mit Andreas Schanzenbach zu Radikalisierungen in der Graffitiszene
Im Gespräch mit Andreas Schanzenbach zu Radikalisierungen in der Graffitiszene
■ Andreas »Schanzboy« Schanzenbach ist Mitbegründer und kreativer Kopf der Agentur »CROMATICS«, die von Dresden, Berlin und Köln aus von der Global Brand oder NGO bis Tante Emma co-kreieren will, und erfolgreich an der Schnittstelle von Subkultur und Markenunternehmen agiert. DRESDNER-Redakteur Heinz K. hat bei Schanzboy nachgefragt, wie er die aktuelle Entwicklung in der Urban-Art-Szene einschätzt.

Inwieweit fühlst du dich noch mit dem Grundgedanken der Street Art/Graffiti-Szene verbunden?

Andreas Schanzenbach: Ich persönlich fühle mich immer noch als Teil dieser Subkultur und habe tagtäglich mit ihr zu tun. Am stärksten ist die Verbindung natürlich bei unserem Mural-Studio »Concrete Candy« vorhanden, sowie durch unsere Urban-Art-Plattform »Paint Club« und bei den Kooperationen mit ilovegraffiti.de. Weiterhin schöpfen wir natürlich aus der Urban Art jede Menge Inspiration und binden die Protagonist:innen in unsere Projekte mit ein. Dies geht dann auch weit über reine Auftragsmalereien hinaus. Mit dem Gewinner der PCBL 2018 entwickeln wir zum Beispiel gerade eine komplette Comic-Reihe für einen Kunden und seine neue Produktlinie.

Mit der Paint Club Battle League und Graffitiwandgestaltungen im Auftrag von Radeberger an der Bautzner Straße, die mit Farbbeuteln verunstaltet wurden, bist du ja als Kopf der Agentur CROMATICS selbst mit Vorwürfen aus der Szene konfrontiert. Wo würdest du die Grenze zwischen Kunst und Kommerz ziehen?

Andreas Schanzenbach: Ich denke, der größte Vorwurf an uns ist, dass wir eben Kunst und Marken zusammenbringen. Abseits von unserem Non-Profit-Projekt »Paint Club« und den freien Arbeiten des »Concrete Candy Hood Fonds«, geht es bei uns eben immer um kommerzielle Projekte. Für mich beginnt ein kommerzielles Projekt an dem Punkt, wo es eine/n Auftraggeber/in gibt, die für die künstlerische Gestaltung bezahlt. Sprich, ich ziehe keine Grenze beim Inhalt oder wie »frei« oder »unfrei« ein Künstler oder eine Künstlerin bei diesem Projekt arbeiten kann.

Wie schätzt du die derzeitige Szene nach den Vorfällen an legalen Flächen am Puschkinplatz und nun an der Friedhofsmauer im Hechtviertel in Dresden ein? Politisiert sie sich, oder ist das ein generelleres Problem, dass erfolgreichen Künstlern wie zum Beispiel Jens Besser aus der illegalen Writerszene Kommerz und Ausverkauf vorgeworfen wird?

Andreas Schanzenbach: Für mich zeigt sich vor allem wie divers und vielschichtig die Szene ist und wie unterschiedlich die einzelnen Akteure denken und handeln. Ich sehe für mich außerdem Parallelen zu anderen Subkulturen, wie etwa den Ultras: Eigentlich müssten die sich doch alle vertragen und super über Fußball reden können. Tun sie aber nicht. Für mich ist in den letzten Jahren immer deutlicher geworden, dass man seine Energie für ein Miteinander einsetzen sollte und nie für ein Gegeneinander. Am schönsten sind doch Kooperationen und wenn man Dinge gemeinsam kreiert. Falls das nicht geht, dann sollte man wenigstens koexistieren. Alles andere ist absolut destruktiv und inakzeptabel. Wir merken aber sicher alle auch, wie schwer es ist, wenn man es mit Fake News zu tun hat und jemand permanent noch das berühmte »Öl« ins Feuer gießt. Ich halte mich da lieber an das Sprichwort: »Jeder sollte vor seiner eigenen Türe kehren.«

Graffiti und Street Art sind Vorreiter der Gentrifizierung, können diese aber nicht verhindern. Stimmt diese Aussage noch?

Andreas Schanzenbach: Also diese These ist ja nicht neu. Ich erinnere mich noch, wie wir im Sommer 2012 in der Platoon Kunsthalle Berlin eine Paneldiskussion hatten mit der These: »Graffiti=Gentrification!?« Die Pole waren gesteckt mit Graffiti als Grund zur Mietminderung auf der einen Seite und den berühmten mit Panzerglas geschützten Banksy‘s in den Hipster-Vierteln dieser Welt. Es gibt bereits einige Studien, die zumindest den positiven Effekt von Kunst im öffentlichen Raum auf die Stadtteilentwicklung belegen. Und ich würde mich zu der Aussage hinreißen lassen: »Wenn in deinem Kiez ein erstes Mural beauftragt wird, wäre es an der Zeit über den Kauf deiner Wohnung nachzudenken.«
Vielen Dank!

Mehr über CROMATICS und Andreas Schanzenbach unter www.cromatics.de/

« zurück