DRESDNER Interviews / O-ton!
Im Hahnenkorb – Die Initiative »Musik S Women*« will Frauen zu mehr Sichtbarkeit in der Musikbranche verhelfen (Foto: Manfred Pollert)
Die Initiative »Musik S Women*« will Frauen zu mehr Sichtbarkeit in der Musikbranche verhelfen (Foto: Manfred Pollert)
■ Scrollt man durch das Line-Up des »Rock am Ring«, präsentiert sich ein recht homogenes Bild. Auf fast jeder der kleinen Band-Kacheln starren einem mehr oder weniger tätowierte, bärtige, lederjackenbehangene Männer mit finsterer Miene entgegen. Auf Frauen stößt man hier kaum. Gerade einmal zwei von 109 zählte die sächsische Initiative »Music S Women*« im Mai. Via Instagram machte sie ihrem Unmut Luft – und löste eine Debatte aus. DRESDNER-Autor Anton Schroeder hat mit Judith Beckedorf (Foto), einer der vier Gründerinnen der Initiative, über bestehende Probleme in der Musikbranche, Zukunftsträume und Unterstützungshilfe gesprochen.

Rock am Ring hat auf eure Kritik geantwortet: Es sei auch nur ein Abbild der Gesellschaft, zudem seien einem oft »die Hände gebunden«. Was sagst du zu so einer Argumentation?

Judith Beckedorf: Das finden wir natürlich sehr enttäuschend, weil das eine ziemlich einfache und billige Ausrede ist. Man weist da Verantwortung von sich, obwohl das »Rock am Ring« im Musikmarkt natürlich ein riesiger Powerplayer ist. Die Leute gucken auf so ein großes Festival, dadurch hat es viel Macht und Verantwortung. Wenn man gleichzeitig aber nichts tut, wirkt es, als sei einem das egal. »Rock am Ring« könnte da ja recht leicht etwas tun.

Andere Festivals machen das besser, wie das Reeperbahn Festival oder das Primavera in Barcelona, eines der größten in Europa ... ?

Judith Beckedorf: Total. Unser heimlicher Traum und langfristiges Ziel in Sachsen ist eigentlich, dass Festivals nur noch staatliche Subvention bekommen, wenn diese nachweisen können, dass sie auf Diversität achten und auch eine gewisse Quote einhalten.

Der Frauenanteil in der kommerziell erfolgreichen Musik hängt zurück, Festivals wie das »Rock am Ring« sind da nicht alleine Schuld. Wo liegt das Problem?

Judith Beckedorf: Ganz vieles davon ist ein Systemfehler, den es schon seit langem gibt. Patriarchale Strukturen gibt es ja schon ewig, nicht nur in der Musik. Frauen durften nicht wählen, Frauen durften nicht Fußball spielen, weil das »ihrer Gebärmutter schade«. Die Ursachen für eine männliche Vorherrschaft in der Musikbranche liegen sehr tief in den Strukturen unserer Gesellschaft.

In der Filmbranche scheint sich deutlich mehr zu ändern als bei der Musik, auch wenn sich da über die eine oder andere Maßnahme sicher auch streiten lässt. Warum tut sich die Musikbranche so schwer?

Judith Beckedorf: Mein Eindruck ist, dass die Filmbranche sehr viel schneller verstanden hat, dass es gut ist, Vertretung und Repräsentation durch Verbände zu haben. Der Musikbereich ist aber auch zerfaserter, viele verlieren sich im Einzelkämpfertum. Auch dass Label-Chefs so gut wie immer männlich sind, ist aussagekräftig. Das sind die Gatekeeper, die entscheiden, wer spielen darf, wer den Job bekommt. Da fehlt einfach Diversität. Die große gemeinsame Stimme, die es braucht, um gehört zu werden, gibt es noch nicht so richtig. Deshalb ziehen wir ja jetzt auch nach, dafür gibt es unser Netzwerk.

Angenommen, ich wäre jetzt eine Frau, die Musik in Dresden macht, aber das Gefühl hat, es läuft irgendwie nicht so gut, wie es könnte. Wie könntet ihr mir helfen?

Judith Beckedorf: Erstmal wollen wir uns einen möglichst guten Überblick darüber verschaffen, was es überhaupt für Musikerinnen in der Umgebung gibt. Dann sollte man uns auf den sozialen Netzwerken folgen, weil wir auch immer wieder bei Veranstaltungen mitwirken und dort aktiv in die Programmplanung eingreifen können. Wenn wir dann von Musikerinnen in der Umgebung Wind bekommen, die tolle Musik machen, sind wir daran interessiert, die hörbar zu machen, die noch nicht so eine große Infrastruktur um sich herum haben, die vielleicht auch im ländlichen Raum wohnen und von Förderungen bislang nicht so viel mitkriegen. Aber dafür müssen wir natürlich von ihnen wissen, da kann man sich einfach bei uns melden. [Anm. d. Red.: Auf der Website von MusicSWomen gibt es auch eine Datenbank für Künstlerinnen, in die man sich eintragen kann.]

Plant ihr denn eigene Events in Dresden?

Judith Beckedorf: Wir haben Ende August beim GrooveGarden Festival in der GrooveStation das Programm gemacht. Und im kommenden März gibt es das »MusiSHEans Festival«. »MusiSHEeans« ist eine Art privates Netzwerk zur Förderung von Frauen, das ich auch mit einer Kollegin führe. Dem Geschäftsführer des Jazzclub Tonne hat unser Konzept ganz gut gefallen, da kuratieren wir im März dann ein dreitägiges Festival.
Vielen Dank für das Interview!

Mehr zur Initiative unter www.musicswomen.de

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