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»Ich will Zweifel und Streit wieder salonfähig machen« – Sebastian Pufpaff im Interview (Foto: Manuel Berninger)
Sebastian Pufpaff im Interview (Foto: Manuel Berninger)
■ DRESDNER-Autor Matthias Hufnagl sprach mit Sebastian Pufpaff über Applaus an der falschen Stelle, Cancel Culture und den Unterschied zwischen Comedy und Kabarett.

Stichwort: Verschwörungstheorien. Steckt das Lachen im Halse oder ergibt sich neues Bühnenfutter?

Sebastian Pufpaff: Es entsteht viel Neues. Ich habe mir zum Beispiel vorgestellt, wie eine Verschwörungstheorie überhaupt entsteht und das für mein Programm heruntergebrochen. Die QAnon Bewegung glaubt, es gäbe einen Deep State, der von Eliten geführt wird. Diese Eliten können unendlich alt werden, weil sie Kinder auszuzeln, um an Adrenochrom zu kommen. Die Geschichte muss sich einer ausgedacht haben. Das allein reicht aber nicht, um eine Bewegung zu werden. Es finden sich also mehr und mehr Leute, die das gut finden. Ein Thema mit viel Humorpotential, das ein großes Problem der Gesellschaft aufzeigt.

Welches genau?

Sebastian Pufpaff: Wenn man sich einer solchen Vorgabe hingibt, fehlt der hinterfragende Zweifel. Darum geht es auch in meinem Stück. Ich will Zweifel und Streit wieder salonfähig machen. Lasst es uns ausdiskutieren. Das fehlt mir bei den Verschwörungstheoretikern: Die sind nicht auf Kompromiss, sondern aufs Zündeln aus. Allmachtsfantasien, mit denen sie eine große Menge hinter sich vereinigen können.

Im Zuge der Pandemie sahen Sie sich mit Räumen ohne Publikum konfrontiert. Wie ist es, wenn die Reaktion auf eine Pointe ausbleibt?

Sebastian Pufpaff: Ich habe mal Teleshopping gemacht und somit eine gute Schule hinter mir. Da muss man die emotionale Reaktion immer antizipieren. Auch bei meiner kleinen Sendung »Noch nicht Schicht« saß ich allein ohne Redakteur da. Man glaubt einfach an sein Handwerk. Bisher funktioniert das ganz gut. Natürlich fehlt so das Gemeinschaftserlebnis – und mit ihm das Korrektiv, dass wir Vernünftigen in der Überzahl und die Zündler in der Unterzahl sind.

Was ist im Hinblick auf die Kulturbranche Ihre aktuelle Forderung an die Politik?

Sebastian Pufpaff: Die Zusammenlegung der Steuer 2019/2020. Damit würde man den Kunstschaffenden und den anhängigen Gewerken unglaublich unter die Arme greifen. Verluste aus diesem Jahr könnten auf das letzte Jahr angerechnet werden. Daraus würde eine Rückzahlung, bzw. eine geringere Steuerlast entstehen. Das habe ich bei Frau Illner auch gegenüber Helge Braun (Chef des Bundeskanzleramts Anm. d. Red) geäußert. Leider hat er mich in der Sendung angelogen, indem er antwortete, man hätte eine Lösung, die alle zufrieden stellt. Man lässt das zweitgrößte Feld an Arbeitnehmern und monetären Einnahmequellen links liegen. Zum Kotzen.

In Ihrem Programm »Wir nach« werden Missstände auch am Beispiel toter Kinder thematisiert. Keine Angst, dass das nach hinten losgehen kann?

Sebastian Pufpaff: In der angesprochenen Sequenz stoße ich jeden vor den Kopf. Teilweise bekomme ich Applaus, wenn ich sage, wer hier eine Straftat begeht, gehört abgeschoben. Diejenigen, die da klatschen, stoße ich ebenfalls vor den Kopf. Ich ziehe sexistisch und egoistisch über Menschen, Religion und die politische Stimmung im Land her. Da ist also eigentlich keiner mehr, der meiner Meinung sein sollte. Hinterher hole ich das Publikum aber wieder rein. Ein Kernpunkt meiner Art des Humorschaffens.

Grassiert derzeit auch eine Cancel Culture?

Sebastian Pufpaff: Ein Modebegriff, unter dem Vorgänge subsumiert werden, die nichts mit Cancel Culture zu tun haben. Im Moment haben wir eine populistisch demagogische Hochphase. Einer krakeelt, und schnell findet sich eine Gruppe, die den Rest unter Druck setzt. So hat das Wissenschaftsforum Dieter Nuhr erst eingeladen, dann wieder ausgeladen, um ihn dann wieder einzuladen. Auch Lisa Eckhart ist ein Paradebeispiel. Noch vor einem halben Jahr wurde sie feuilletonistisch in den Himmel gelobt. Da gab es ihren Auftritt bei den Mitternachtsspitzen schon. Hinterher wurde sie demontiert. Das ist keine Cancel Culture, sondern Aktionismus.

Was ist der Unterschied zwischen öffentlich-rechtlichem Kabarett und RTL2-Comedy?

Sebastian Pufpaff: In Deutschland glaubt man leider, dass Humor auch ohne Haltung geht – das finde ich dann nicht interessant. Es gibt aber RTL2-Humor mit wesentlich mehr Haltung, als mitunter im öffentlich rechtlichen Kabarett. Überheblichkeit ist also fehl am Platz. Ich selbst sehe mich nicht als Kabarettist, sondern in der Tradition amerikanischer Stand-up-Comedians – wo keine Unterscheidung zwischen Kabarett und Comedy gemacht wird. Auf der Bühne steht da jemand mit Haltung, der weiß wie Unterhaltung funktioniert. Ich bezeichne mich daher als Humorist oder Komiker.

Ein kurzer Ausblick?

Sebastian Pufpaff: Kabarett wird seit jeher totgesagt. Wenn ich im Moment sehe, was für ein junges, talentiertes Volk da auf uns zu kommt – sei es Lisa Eckhart, Hazel Brugger, oder Till Reiners – dann sind wir nicht am Ende, sondern stehen gerade erst am Anfang.
Vielen Dank!

Sebastian Puffpaff ist mit seinem aktuellen Programm »Wir nach« am 1. Oktober im Alten Schlachthof zu erleben. Mehr zum Künstler: www.pufpaff.de/

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