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»Ich bin noch lange nicht fertig mit lernen« – Im Gespräch mit Herausgeber Silvio Colditz zur Jubiläumsausgabe der Zeitschrift »Maulkorb«
Im Gespräch mit Herausgeber Silvio Colditz zur Jubiläumsausgabe der Zeitschrift »Maulkorb«
■ Wer beim Endausscheid der »DRESDNER Miniaturen« aufmerksam zugehört hat, als die Teilnehmer vorgestellt wurden, konnte feststellen, dass fast immer der Name Silvio Colditz fiel. Silvio ist Herausgeber der Dresdner Literaturzeitschrift »Der Maulkorb«. Im August erscheint die 20. Ausgabe und dazu wird es eine Jubiläumsausstellung ab 24. August in der Galerie Adlergasse und der Runden Ecke geben. Gründe genug für DRESDNER-Autor Markus Kranz, um mit dem Herausgeber ins Gespräch zu kommen.

Wie hat das angefangen mit dem Maulkorb?

Silvio Colditz: Ich war besoffen und habe ein Projekt gesucht, das ich nur nüchtern machen konnte. Allerdings wusste ich nicht, worauf ich mich einlasse: Layout, Bildbearbeitung, Homepage bauen und dafür HTML lernen, Vertrieb ... ich hatte Null Ahnung.

War das Bestandteil deiner Alkoholtherapie?

Silvio Colditz: Hätte ich auf die Leute dort gehört, hätte ich den Maulkorb nie gemacht, weil sie zu bedenken gaben, ich könnte scheitern. Aber wenn ich daran scheitere, dass ich nie mehr scheitere, werde ich immer scheitern. Ich bin schließlich aus der Therapie geflogen, weil ich gesagt habe: So kann ich das nicht machen – ich werde immer scheitern! Man hat mich gebeten, nicht mehr zu kommen, weil ich die Gruppe sprenge. Ich bin der einzige davon, der heute noch trocken ist.

Kann Kunst heilen?

Silvio Colditz: Ich musste mich mit mir auseinandersetzen und fragen: Was will ich: saufen oder leben?

Wie würdest du dein Magazin gegen die anderen beiden Literaturmagazine Dresdens abgrenzen?

Silvio Colditz: Ich möchte eine Verbindung von Literatur, Kunst und Musik herstellen. Deshalb gibt es zu jeder Ausgabe eine Ausstellung. Die Autoren sind sicher jünger und ihre Texte manchmal auch ein bisschen schräger. Bei mir ist Platz für Autoren, die zum ersten Mal veröffentlichen.

Welche Entwicklungen sind nach zehn Jahren erkennbar?

Silvio Colditz: Es gibt mehr Gedichte als am Anfang. Auch bei den Bildern gibt es krasse Entwicklungen. Ich habe von Dirk Fröhlich vom Buchlabor viel gelernt über Buchsatz. Es gibt so viele Sachen, die notwendig sind und bei denen man feststellt, dass man eigentlich ausschließlich dafür studieren müsste.

Deshalb wird es auch weitergehen?

Silvio Colditz: Ich bin noch lange nicht fertig mit Lernen und hab schon Bock, noch ein paar Ausgaben zu machen. Vielleicht mal mit Handschrift oder mit Handpresse, mal gucken. Es wird auf jeden Fall eine deutsch-arabische Ausgabe geben und im Herbst eine Ausgabe über Männer und Männlichkeit, zusammen mit dem riesa efau – eine Mischung aus Katalog und Maulkorb.

Dieses Jahr gibt es vier Ausgaben. Ganz schön viel für ein Projekt wie dieses … ?

Silvio Colditz: Am Anfang hatte das Heft 50 bis 60 Seiten, jetzt doppelt so viele, aber ich arbeite inzwischen mehr als doppelt so schnell. Dieses Leben funktioniert, wenn man wenig ausgibt. Für den Maulkorb investiere ich circa 20 Stunden pro Woche. Ansonsten gebe ich Kalligraphie-Kurse, verkaufe Fotos oder schenke beim Stadtfest Bier aus. Wenn ich einen 40-Stunden-Job hätte, würde das nicht gehen. Aber wenn du sagst, du brauchst kein Auto und im Urlaub läufst du – dann funktioniert es.

Sind dir Autoren der ersten Stunde treu geblieben?

Silvio Colditz: Johannes Witek. Er war in der ersten und zehnten Ausgabe und wird auch diesmal dabei sein.

Was ist dir an der Jubiläums-Ausgabe wichtig?

Silvio Colditz: Es gibt eine Ausstellung mit allen 40 Künstlern, die im Maulkorb vertreten waren. Es wird auch eine Lesung geben, wahrscheinlich bei der Finissage Anfang September. Zum Heft: Ich mag die Kurzgeschichten von Said, Roman Israel ist dabei, von Sascha Kokot wird es einen Gedichtzyklus geben, außerdem drei albanische Gedichte.
Besten Dank für das Gespräch!

Der Maulkorb Nr. 20: 117 Seiten mit Texten von 32 Autoren und 18 farbigen Abbildungen von Luise Ritter, Theresa Wenzel und Anna Ditscherlein, herausgegeben von Silvio Colditz in Zusammenarbeit mit Anja Jurkenas und Hannah-Sophie Fuchs; erscheint im Hole of Fame e.V. und ist zum Preis von 4,50 Euro erhältlich in Buchläden, Spätshops und über www.dermaulkorb.blogspot.com Ausstellung vom 24. August bis 10. September »10 Jahre Maulkorb« in der Galerie Adlergasse und der Runde Ecke des riesa efau.

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