DRESDNER Interviews / O-ton!
Experimentierfeld und Plattform zum Austausch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft – Im Interview mit Roland Schwarz zum Jubiläum der Technischen Sammlungen
Im Interview mit Roland Schwarz zum Jubiläum der Technischen Sammlungen
■ Technische Sammlungen. Klingt vielleicht erstmal ein bisschen langweilig, ist es aber gar nicht und war es auch nie. Oder doch? Als Anfang der 90er Jahre das Polytechnische Museum aus den kleinen Räumen einer Blasewitzer Villa in die leeren Hallen des Ernemannbaus umzog, hielten die damaligen Akteure die Idee eines Museums für verstaubt. Der Name »Technische Sammlungen« sollte Größe und Vielfalt demonstrieren und deutlich machen, dass man nicht nur alte Objekte in Vitrinen zeigen wollte. Die neue Bezeichnung führte dann tatsächlich zu Missverständnissen. Manche fragten sich, ob das vielleicht nur ein Depot sei. Inzwischen wissen die meisten, dass sie hinter dem etwas spröden Namen ein interaktives Museum der Informationsgesellschaft finden, das Erlebnisland Mathematik, Ausstellungen zu aktueller Technologieforschung und eine Galerie für zeitgenössische Fotografie – eine »Fabrik der Erfahrungen«, wie es ein Mitarbeiter einmal sehr schön formuliert hat. Im Interview mit Direktor Roland Schwarz ist DRESDNER-Autor Nikolai Winter der konzeptionellen Ausrichtung und den Ereignissen zum Jubiläum der Technischen Sammlungen nachgegangen.

Die Technischen Sammlungen feiern in diesem Jahr ihr 50-jähriges Bestehen. Wie vertragen sich denn Tradition und Technik an einem Ort, der im 21. Jahrhundert sehr viel mehr sein muss als ein klassisches Museum?

Roland Schwarz: Das klassische Museum gibt es doch fast gar nicht mehr. Die Technischen Sammlungen und ihre verschiedenen Vorgänger haben ohnehin nie in diese Kategorie gepasst. Eine Hauptaufgabe des 1966 gegründeten Polytechnischen Museums war es, den Besuchern die Grundlagen der Elektronik zu vermitteln. Das Museum ist genau zu dem Zeitpunkt entstanden, als mit dem Aufstieg der Mikroelektronik dieses Gebiet der Technik dabei war, die unmittelbare Anschaulichkeit zu verlieren. Darin sehe ich auch heute die größte Herausforderung für Technikmuseen. Technische Geräte und Prozesse werden auf der einen Seite immer kleiner, Stichwort: Nanotechnologie, auf der anderen immer komplexer. Forschung und Produktion sind auf der einen Seite hochspezialisiert, auf der anderen global verzweigt. Wie schaffen wir es als Museum, die Technik der Gegenwart so auszustellen, dass sie für unsere Besucher begreifbar wird, und sie in unseren Sammlungen so zu dokumentieren, dass sie auch noch in einigen Jahrzehnten verstanden werden kann?

Welche Rolle spielt dabei die Geschichte des Hauses?

Roland Schwarz: Der Ernemannbau ist nicht nur das beeindruckendste Beispiel für die Architektur der industriellen Moderne in unserer Stadt, sondern auch ein Symbol für die große Tradition des Technologiestandortes Dresden. Bei Ernemann und in den benachbarten Kamerafabriken wurden legendäre Fotoapparate und Filmkameras gebaut, aber auch darüber nachgedacht, wie die schon damals rasch wachsende Menge an Informationen in hoher Qualität und möglichst einfach gespeichert, übertragen und abgerufen werden kann. Die Vergangenheit ist da manchmal gar nicht so weit von der Gegenwart entfernt und kann uns dabei helfen, Technik als immer wichtigeren Faktor unserer Kultur zu erkennen.

Gut gemachte Themenausstellungen sind nicht nur bei Ihnen ein Besuchergarant...?

Roland Schwarz: Das Dresdner Lichtjahr 2015 haben wir auf Initiative des Fraunhofer Instituts für Werkstoff und Strahltechnik mit selbigem und dem tjg. theater junge generation initiiert und gemeinsam mit vielen renommierten Dresdner Forschungseinrichtungen auf den Weg gebracht – ein interdisziplinärer, spannender Ereignisreigen. Allein die Ausstellung »Hi Lights! Neues vom Licht« besuchten im letzten halben Jahr mehr als 50.000 Menschen.

Was bringen solche Kooperationen?

Roland Schwarz: Für künftige Innovationen wird die Einbeziehung der Öffentlichkeit immer wichtiger. Das hat damit zu tun, dass Hochtechnologie, zum Beispiel Informations-, Medizin- oder auch Energietechnik, in nahezu alle Lebensbereiche vordringt und umgekehrt von einem gesellschaftlichen Konsens getragen werden muss. Dabei geht es ganz unmittelbar um die Förderung von Nachwuchskräften, aber auch um neue Formen der Mitwirkung unter der Überschrift »Bürgerforschung«. Die Technischen Sammlungen schaffen Plattformen für den Austausch zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit, mit unseren Ausstellungen, Dialogveranstaltungen und Werkstattangeboten für Schülerinnen und Schüler.

Und worauf dürfen sich Neugierige im Jubiläumsjahr freuen?

Roland Schwarz: In der ersten Sonderausstellung treffen Geschichte und Gegenwart direkt aufeinander, Fotografien des international erfolgreichen Fotokünstlers Hans-Christian Schink von einer Reise in die Antarktis und Aufnahmen einer Forschungsexpedition in die Südpolregion in den Jahren 1898/99. Wir werden unser Experimentierfeld umbauen und mit Versuchen zur Optik und Akustik neu gestalten. Und natürlich gibt es eine Jubiläumsausstellung, in der wir auf die Höhe- und Wendepunkte in der Geschichte unseres Museums schauen, kein wehmütiger, sondern eher ein ironischer Rückblick.

Sind die Technischen Sammlungen am Wissenschaftsstandort und in der Geburtenhauptstadt Dresden auf dem Weg zum Science Center? Was sind Ihre Ziele für die nächsten Jahre?

Roland Schwarz: Science Center klingt mir zu sehr nach den klassischen Naturwissenschaften. Bei uns bleibt auch in Zukunft die Mathematik ein Schwerpunkt. Daneben setzen wir die mit »Cool X« und »Hi Lights!« begonnene Reihe von Ausstellungen zu aktuellen Forschungsthemen fort. Und selbstverständlich bleiben wir ein Museum und wollen endlich die ständigen Ausstellungen zur Geschichte der Fotografie und der Computertechnik auf den neuesten Stand bringen.
Vielen Dank für das Gespräch!

Neben den Dauerausstellungen sind in den Technischen Sammlungen aktuell die Sonderausstellungen »gute Aussichten 2015/16 – junge deutsche fotografie« (bis 14. Februar), »Hi Lights! Neues vom Licht« (bis 19. Juni) sowie »Ohne Ton kein Bild – Der Ton im DEFA-Animationsfilm« (bis 28. März) zu sehen; am 14. Februar, 14 Uhr: Familienprogramm mit Feuershow und heißen Experimenten (ab 8 Jahre); mehr unter www.tsd.de

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