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Die Shakespeare-Verliebten – Die Theatergruppe Spielbrett inszeniert den »Kaufmann«
Die Theatergruppe Spielbrett inszeniert den »Kaufmann«
■ Die Dresdner Theatergruppe Spielbrett machte schon Amateurtheater, als an die Freiheit der Kunst noch lange nicht zu denken war. Ihr Anspruch definiert als herzliches Volkstheater, das sich dem Publikum sinnlich, kritisch, unterhaltsam und intelligent nähert. Den anarchistischen Unterton konnte sich die Shakespeare-verliebten Theatergruppe bis heute bewahren. Über die Ursprünge und die neue Inszenierung sprach DRESDNER-Autor René Seim mit Spielbrett-Gründer und -Regisseur Ulrich Schwarz.

Ihr seid ja wohl die einzige Freie Theatergruppe, die noch in der DDR gegründet wurde. Wie kam es damals dazu?

Ulrich Schwarz: Spielbrett haben wir Egon Krenz zu verdanken. Denn durch ihn kam es 1983 zum Stückverbot an der TU Bühne. Wir hatten zu der Zeit die russische Satire Wassili Schukschins »Einige konkrete Gedanken« bereits etwa 10 mal in Dresden gespielt. Aber als wir mit dem Stück nach Leipzig eingeladen worden waren, war auch Egon Krenz da und empfand das Ganze als Verunglimpfung der Sowjetunion. Daraufhin intervenierte er in Dresden – und nach mehrfachen Änderungsversuchen, Aussprachen und pipapo wurde das Stück abgesetzt und wir bekamen Hausverbot an der TU. Dann habe ich Olaf Böhme kennengelernt, der zusammen mit anderen TU-Abtrünnigen ein Theaterprojekt im Kulturpalast beginnen wollte. Das wurde aber ebenfalls verhindert. Olaf und ich kamen dann 1985 am Lagerfeuer auf die Idee, eine eigene Gruppe zu gründen. Das Richard Gärtner Kulturhaus in Cotta wurde unsere erste Spielstätte. Etwa 1999 sind wir dann ins Theaterhaus Rudi gezogen.

Das Programm »Heimatabend« ist euer wohl bislang politischstes Theaterstück, in dem vorhandene Texte verwendet wurden, aber das Stück von euch als Team geschrieben und verwoben wurde. Wie kam es dazu?

Ulrich Schwarz: Wir auch noch nie so richtig unpolitisches Boulevardtheater gespielt. Bei »Heimatabend« war es neu, dass letztlich alle am Schreibprozess beteiligt waren. AfD, Pegida und das ganze neue verhärtete Heimatgerede – da bekamen wir es mit der Wut und wir fragten uns: Was ist das denn, dieses deutsch? Wo kommt denn Schwarz-Rot-Gold her? Die Unmengen an Material wurden von einem Autorenteam gesichtet und bereinigt. Dennoch war das Stück mit fast drei Stunden zu lang und wurde um 40 Minuten gekürzt.In dieser gekürzten Version spielen wir noch bis Jahresende.

Ihr habt euren guten Namen vor allem mit Shakespeare-Stücken erspielt. Nach dem »Sommernachtstraum« und »Romeo und Julia«, bringt ihr nun den »Kaufmann von Venedig« auf die Bühne...?

Ulrich Schwarz: Bei uns heißt das Stück nur »Kaufmann«, denn wir wollen nicht eine Geschichte aus der Stadt der Verliebten erzählen, sondern den Hauptansatz, der in dem Stück steckt: die Geschichte des Frühkapitalismus. Wir wollen anhand der Geschichte der Kaufleute zeigen, wie damals das Kleinbankentum zu blühen begann. Wir achten aber darauf, dass die antisemitischen Züge, die das Stück bereit hält, nicht unterstrichen werden. Denn Gier ist schließlich menschlich und nicht an eine Konfession gebunden. Und doch wollen wir auch die Doppelmoral aufzeigen, die das Christentum im Umgang mit Geld gerne an den Tag legte. Aber trotz der Themenschwere wird es ein sehr unterhaltsames Stück.
Vielen Dank für das Gespräch!

Premiere »Kaufmann« am 4. und 5. Mai im Theaterhaus Rudi; im Sommer ist Spielbrett wieder mit dem Planwagen und einem Shakespeare-Stück auf Sommertour unterwegs; weitere Infos: www.spielbrett.info

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