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Die Bilder aus dem Kopf bekommen – Amy Macdonald im Interview (Foto: Roger Deckker)
Amy Macdonald im Interview (Foto: Roger Deckker)
■ So geht Weltspitze. Sechs Millionen verkaufte Alben, 200 Millionen Spotify-Streams, ausverkaufte Welttourneen und international hohe Chartplatzierungen: Amy Macdonald zählt seit über einer Dekade zur Champions League der Branche. Via Zoom erfährt DRESDNER-Autor Matthias Hufnagl, was die sympathische Musikerin beim Schreiben inspiriert, Travis mit ihrer ersten Gitarre zu tun haben und warum sie Schottland in der EU sieht.

Die Veröffentlichungen vieler neuer Platten wurden im Zuge der Pandemie verschoben. Dein aktuelles Album »The Human Demands« erschien regulär. Warum?

Amy Macdonald: Manche Leute denken, es wäre besser gewesen zu warten. Normalerweise geht man mit einem neuen Album auf Tour, spielt vor Publikum und promotet. Das ist derzeit nicht möglich. Trotzdem hatte ich das Gefühl, diese Platte rausbringen zu müssen. Über die sozialen Medien stehe ich viel in Kontakt mit anderen Bands. Allesamt Leute, mit denen ich das Gefühl teile, wie wundervoll es ist, neue Songs zu haben, auf die man sich freuen kann. Musik kann hilfreich sein, besser durch diese Zeit zu kommen. Unterm Strich gibt es nie den perfekten Moment für ein neues Album. Aber klar: 2020 war definitiv keine gute Zeit, um irgendetwas zu tun.

Du hast ein Live-Konzert gestreamt, für das man Tickets kaufen konnte. Der Erlös ging an die Kampagne #WeMakeEvents. Eine Unterstützung für die Veranstaltungsbranche?

Amy Macdonald: Genau, aber hier geht es weniger um Künstler, als die Menschen im Hintergrund. Berufsgruppen, über die viel weniger gesprochen wird. Licht- und Tontechniker, Roadies und alle, die momentan gern vergessen werden. Wenn das irgendwann vorbei ist, diese Menschen aber nicht mehr da sind, wird es keine Live-Konzerte geben. Ohne sie geht es nicht. Da müssen wir helfen.

Deinen ersten Plattenvertrag hast du mit 18 Jahren unterschrieben. Musstest du zu Beginn deiner Karriere Ratschläge abwehren, wie eine Frau im Musikbusiness zu sein hat?

Amy Macdonald: Das kam schon vor und es war relativ schwierig dagegen anzukämpfen. Ich war ein Teenager aus Schottland und stand plötzlich im Scheinwerferlicht einer Plattenfirma in London. Ein vollkommen neues Umfeld. Da gab es Zeiten, in denen ich mich unwohl fühlte und Erwartungen nicht erfüllte. Ich habe aber relativ schnell gelernt, mich zu melden, wenn mir etwas nicht passt. Ist man offen und ehrlich, wird das auch respektiert.

Was ist deine Philosophie in puncto Musik?

Amy Macdonald: Ich möchte Songs schreiben, die etwas bedeuten. Kleine Geschichten. Etwas, das der Musik über die Jahre verloren gegangen ist. Im Radio klingt heute alles gleich und bedeutungslos. Mir aber geht es um das Erzählen. Bilder, die ich aus dem Kopf bekommen und in Songs packen möchte – raus in die Welt. Stücke, die mir etwas bedeuten. Denn tun sie das nicht, kann ich retour nicht erwarten, dass sie irgendjemandem etwas bedeuten. Vor Kurzem hat meine Nachbarin ein Paket für mich angenommen. Als ich es holte, sagte sie mir, dass sie beim Hören des Stücks »The Hudson« auf meiner neuen Platte das Gefühl habe, der Song sei für sie und über ihr Leben geschrieben worden. Wahnsinn, dass Musik eine derartige Wirkung haben kann.

Fran Healy hat mir vor Kurzem fast dasselbe gesagt. Er sprach von Songwritern als alten Seelen, die etwas berühren. Travis haben dich sehr inspiriert, richtig?

Amy Macdonald: Vor über 20 Jahren sah ich Travis als Headliner beim »T in the Park«-Festival. Das war der Punkt, an dem mir klar wurde, dass ich Gitarre spielen werde. Ich fing dann an, es mir selber beizubringen.

Bei einem anderen Event, dem »Rock en Seine«-Festival in Paris warst du 2009 plötzlich die erste Person, die vom Oasis-Split berichtete. Würdest du das so nochmal posten?

Amy Macdonald: Ich war einfach da und habe vor allen anderen gehört, dass Oasis an diesem Tag nicht auf die Bühne gehen werden und es einen großen Streit gegeben hat. Gesehen habe ich die Auseinandersetzung aber nicht. Damals war ich noch sehr jung und habe nicht erwartet, dass die Nachricht so explodiert. Das Ganze passierte am Ende meiner Tour zum ersten Album. Die Platte war schon circa zwei Jahre draußen, aber da mein Name in so ziemlich jedem Artikel über das Ende von Oasis stand, stieg sie prompt wieder in die Charts ein. Das war lustig, heute aber würde ich das so nicht mehr posten. Es ging mich ja eigentlich nichts an.

Unterstützt du die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon im Hinblick auf das Streben nach Unabhängigkeit?

Amy Macdonald: Persönlich habe ich eine enge Verbindung zu allen europäischen Staaten, bereise sie und trete regelmäßig auf. Schottland hat im Umgang mit der Pandemie einen guten Job gemacht. Man muss sich also keine Sorgen machen, dass es das Land auch alleine schafft. Mit dem Rest im United Kingdom pflegen wir eine gute Nachbarschaft, aber es ergibt keinen Sinn, wenn Entscheidungen für uns oben im Norden in London getroffen werden. Schottland sollte ein unabhängiges Land im Rahmen der Europäischen Union sein. So sind wir besser dran. Fingers crossed.
Vielen Dank für das Gespräch!

Mehr zur Künstlerin unter www.amymacdonald.co.uk/

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