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Die Ausbreitung der Clubkultur – Das DAVE-Festival sucht die Grenzüberschreitung
Das DAVE-Festival sucht die Grenzüberschreitung
■ Im Oktober findet das DAVE-Festival zum vierten Mal statt. Mit über 60 Veranstaltungen in mehr als 20 Locations wird das Festival für Clubkultur seinem diesjährigen Motto »Transgression« auf jeden Fall gerecht. Dass die Grenzüberschreitung aber nicht nur räumlich stattfindet, sondern auch in den Köpfen, erfuhr DRESDNER-Autor Stephan Zwerenz im Interview mit den Mitorganisatoren des DAVE-Festivals Philipp Demankowski und Kai-Uwe Reinhold.

Wenn man sich das diesjährige Programm des DAVE-Festivals ansieht, fragt man sich mal wieder: wer soll sich das eigentlich alles ansehen? Hattet ihr in den letzten Jahren Probleme damit, manche Räume zu füllen?

Philipp Demankowski: Nein, eigentlich nicht. Wir bieten ja schon ein recht breites Angebot mit verschiedenen Schwerpunkten an, das natürlich auch ein anderes Publikum anspricht. Es gibt selbstverständlich Veranstaltungen, die nicht ganz so gut laufen wie andere. Aber ich bin schon überrascht, wie gut doch vor allem die großen Veranstaltungen besucht sind. Interessant finde ich auch, dass das Workshop-Camp so gut besucht ist. Denn das ist ja schon ein sehr spezielles Publikum, das sich dafür interessiert. Und auch die Diskussionsveranstaltungen haben im letzten Jahr sehr viele Leute interessiert.

Was sind die Neuheiten beim diesjährigen DAVE-Festival?

Philipp Demankowski: Neu ist definitiv die Kooperation mit dem Hygiene-Museum. Die Veranstaltung, die dort präsentiert wird, heißt »Faces of Sound« und schließt an die aktuelle Sonderausstellung »Das Gesicht – eine Spurensuche« an.
Kai-Uwe Reinhold: Dabei wollen wir uns bei der Ausstellung im audio-visuellen Bereich positionieren. In der elektronischen Musik spielt das Gesicht eigentlich kaum eine Rolle. Es geht vielmehr um die Musik, die aus den Boxen kommt. Davon ausgehend haben wir Künstler gefunden, die sich dem Thema auf vier unterschiedlichen Wegen nähern. Das sind die Themen »Anonymität«, mit dem sich das DJ-Duo mit dem unaussprechlichen Namen SHXCXCHCXSH befasst. Auch der Künstler Rrose nähert sich dem Thema. Er tritt fast immer als Trans-Gender auf, um die Dominanz der Männer in der elektronischen Musikszene zu thematisieren. Zum anderen ist da Ulf Langheinrich, der sich in seiner audio-visuellen Produktion »Full Zero« der Faszination der fremden Schönen nähert. Dann gibt es noch eine Performance von Robert A. A. Lowe, der mehrere Gedichte vertont. Bei der ganzen Veranstaltung ging es um den Anspruch, den DAVE ja auch grundsätzlich hat, nämlich mit den Räumen zu arbeiten und in dem Kontext der Räume zu agieren.
Philipp Demankowski: Neu sind auch die Kooperationen mit dem Kleinen Haus des Staatsschauspiels und dem objekt klein a. Der Gedanke war, die Clubkultur ins Theater zu bringen und ein Tanztheaterstück in den Club. Da wollten wir explizit Grenzen überwinden. Im objekt klein a findet auch erstmals ein »Vaporwave Showcase« statt. Die Szene ist untereinander sehr gut vernetzt, agiert aber meistens nur online. Mit dem »Vaporwave Showcase« wird diese Kunstrichtung zum ersten Mal in einer »realen« Veranstaltung in Deutschland vorgestellt.

Habt ihr noch weitere Highlights, auf die ihr euch ganz besonders freut?

Philipp Demankowski: Zum einen ist da »Spectra« im objekt klein a, was letztes Jahr auch schon stattgefunden hat. Es haben sich zwei Teams aus Visual- und Audiokünstlern zusammengeschlossen. Die haben jeweils im Frühjahr begonnen ein Projekt zu erarbeiten. Das sind fast alles Künstler des Labels »Raster« (ehemals »Raster-Noton«). Was aus der gemeinsamen Arbeit hervorgeht, ist immer eine sehr spannende Sache.
Kai-Uwe Reinhold: Ja, und zum anderen ist da »Beyond the Club«. Das ist ja quasi unser Klassiker, diesmal wieder in der Martin-Luther-Kirche und mit einer etwas anderen Ausrichtung: es geht vom Orgelspiel, über Loops bis hin zu selbstgebauten elektronischen Schlaginstrumenten. Natürlich gibt es auch wieder eine Filmvertonung im Militärhistorischen Museum, diesmal mit dem Film »Die Passion der Jungfrau von Orleans« von Carl Theodor Dreyer.

Habt ihr auch dieses Jahr wieder einen »Artist in Residence« und einen »Artist in Focus«?

Kai-Uwe Reinhold: Der »Artist in Residence« ist dieses Jahr Susanne Kirchmayr aus Wien aka Electric Indigo. Sie ist für uns zum einen deshalb sehr spannend, weil sie seit einer halben Ewigkeit in der Technoszene aktiv ist. Sie legt schon seit fast 30 Jahren auf und hat auch lange im audio-visuellen Bereich gearbeitet. Zum anderen ist sie eine der Mitbegründerinnen des Netzwerkes »female:pressure«, bei der es um die Gleichbehandlung von Frauen am DJ-Pult geht, die oftmals kaum Beachtung finden. Das war uns vor allem deshalb so wichtig, weil wir gemerkt haben, dass wir selber diesen blinden Fleck in unserem Booking-Verhalten haben. Das ist also ein guter Anlass in unseren eigenen Köpfen Grenzen zu überschreiten.
Philipp Demankowski: Der »Artist in Focus« ist Cuthead von Uncanny Valley, der ja schon seit längerem in Dresden sehr umtriebig ist und mehrere Platten veröffentlicht hat. Früher war er bei »Kunst:Stoff Breakz« sehr aktiv und hat sich da auch einen sehr guten Ruf erarbeitet. Im Nebenberuf ist er Kameramann und hat deshalb schon einen ganz natürlichen Zugang zur Audio-Visualität. Da gab es auch keine großen Diskussionen, ob wir ihn nehmen. Beide Künstler werden bei mehreren Auftritten zu sehen sein und auch in Workshops Einblicke in ihre Arbeitsweisen geben.

Ihr habt dieses Jahr auch wieder viele Meet&Greet-Veranstaltungen geplant, bei der die Szene näher zusammenrücken soll. Welche Formate werden dieses Jahr stattfinden?

Philipp Demankowski: Es gibt zum Beispiel die Scan-Party von Banq.de, die auch das ganze Jahr über stattfindet. Das ist eine schöne Möglichkeit, um sich im Kontext zu treffen. Jeder bringt seine Partyflyer mit, die in ein Archiv eingepflegt werden. Dazu läuft Musik. Dann gibt es an den Wochenenden im Bon Voyage eine Veranstaltung, zu der man sich ebenfalls das Jahr über trifft. Das soll längerfristig eine Basis für DAVE werden. Hier soll man im Idealfall immer jemanden von DAVE treffen können.
Kai-Uwe Reinhold: Zudem gibt es da noch ein sehr interessantes Format mit dem Namen »Music is my Radar« in der Nikkifaktur in Zusammenarbeit mit Kazoosh. Das ist eine sehr spannende Installation, bei der die Zuschauer eingeladen sind mitzumachen. Die besteht aus Elementen vom Flohmarkt oder vom Schrottplatz, also aus Zylinderfassungen vom Moped oder Drehkurbeln, über die man verschiedene Soundspuren bedienen kann. Im Idealfall können sich daran bis zu acht Personen beteiligen.
Vielen Dank und viel Erfolg!

Das DAVE-Festival (Dresden Audio Visual Experience) findet vom 20. bis 29. Oktober in circa 20 Locations statt. Das volle Festivalprogramm im Timer und unter www.dave-festival.de

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