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Der Heilige Geist trägt keinen Schnurrbart – Wladimir Kaminer im Gespräch (Foto: A. Walther)
Wladimir Kaminer im Gespräch (Foto: A. Walther)
■ Wladimir Kaminer gilt als Autor mit ganz eigenem Sound. Der in Berlin lebende Bestsellerautor russisch-jüdischer Herkunft schrieb bereits Bücher über seine kaukasische Schwiegermutter und seine Mutter, und jetzt gibt es auch eines über seine Ehefrau. In »Einige Dinge, die ich über meine Frau weiß« erzählt der 50-Jährige humorvoll von kuriosen Erfahrungen, die die lebenskluge Olga Kaminer im Lauf der Zeit gemacht hat. Olaf Neumann begleitete für DRESDNER Kulturmagazin Wladimir Kaminer (und Olga) beim Pilzesammeln und sprach mit ihm über außergewöhnliche Frauen und sein Dasein als Ehemann, Vater, Sohn und Heiliger Geist.

Herr Kaminer, während wir miteinander sprechen, sammeln Sie Pilze im Wald. Sind Sie schon fündig geworden?

Wladimir Kaminer: Nein, ich bin noch nicht fündig geworden, es ist ziemlich trocken hier. In meinem neuen Buch schreibe ich darüber, wie meine Frau eine alte Methode entdeckt hat, wie man Pilze im Garten züchten kann.

Wie funktioniert das?

Wladimir Kaminer: Man muss alte Steinpilze zerreiben und in einer russischen Zeitung eingraben. Und das haben wir letztes Jahr gemacht, aber bis jetzt ist noch nichts gewachsen. Vielleicht ist es ja noch nicht die Zeit für diese Pilze.

Sie schrieben bereits Bücher über Ihre kaukasische Schwiegermutter und Ihre Mutter, und jetzt gibt es auch eines über Ihre Frau Olga. Hat sie auf Gleichbehandlung gedrängt?

Wladimir Kaminer: Nein. Ich wollte gar nicht als Familienschriftsteller in die Geschichte der deutschen Literatur eingehen. Eigentlich hatte ich vor, ein Buch zur aktuellen weltpolitischen Lage zu machen. Aber darüber schreiben ja schon so viele andere, also habe ich mir überlegt, lieber über meine Frau zu schreiben. Ich glaube, indem man einen Menschen unter die Lupe nimmt, kann man auch etwas über die Welt aussagen. Ich habe schon immer versucht, in meinen Büchern das Große im Kleinen zu entdecken. Alle Menschen sind Lebewesen auf der Suche nach dem Sinn. Aber bei den Frauen scheint dieser Lebenssinn angeboren zu sein. Sie wollen nicht einmal darüber reden, das wird ihnen schnell langweilig. Als wäre das mit dem Sinn von vornherein geklärt, wollen sie das Leben nur schmücken und verschönern. Sie wollen alles besser machen als es ist.

Ihr Buch ist der Versuch, das Wesen Ihrer Frau bzw. der Frau im Allgemeinen zu ergründen. Sind Sie jetzt ein Frauenversteher?

Wladimir Kaminer: Ich glaube, man versteht die Frauen nie. Aber einen Versuch ist es auf jeden Fall wert. Man wird zu einem besseren Mann, indem man versucht, das andere Geschlecht zu verstehen. Ich bin auf jeden Fall viel ruhiger und nachsichtiger geworden durch meine Erfahrung mit Frauen. Eigentlich wollte ich über alle Frauen schreiben, die ich kannte, aber darüber wäre Olga wahrscheinlich eifersüchtig geworden. Deswegen habe ich nur über sie geschrieben.

Sie schreiben, wie verschieden Olga und Sie eigentlich sind. Glauben Sie an den Satz von den Gegensätzen, die sich anziehen?

Wladimir Kaminer: Ja natürlich. Allein die Gegensätze können aber keine gemeinsame Lebensgrundlage schaffen. Man muss schon ein gemeinsames Thema haben, um sich darüber auszutauschen. Die Ansichten können jedoch ruhig unterschiedlich sein. Mein Zusammenleben mit Olga ist die fortwährende Fortsetzung eines Gesprächs. Wir werden eigentlich nie müde zu diskutieren.

War Ihr Beruf, in dem Sie ja sehr erfolgreich sind, jemals eine Bedrohung für Ihre Ehe?

Wladimir Kaminer: Im Gegenteil. Meine Familie hat wesentlich zu diesem Erfolg beigetragen. Was wäre ich allein? Es ist sehr wichtig, Menschen um sich herum zu haben, die einen immer auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Man darf sich nicht auf eine Rolle konzentrieren, dann nimmt man sich selbst zu ernst. Man kann nicht nur als Heiliger Geist durch das Leben gehen, sondern auch als Vater, Sohn und Ehemann. Man muss all diese Rollen gleichzeitig ausüben können. Erst dann ist man erfolgreich.

Ist Ihre Frau auch Ihre Muse?

Wladimir Kaminer: Ja, auf jeden Fall. Sie ist hauptberuflich Muse. Obwohl sie auch sehr zynisch sein kann. (sagt etwas auf Russisch zu seiner Frau) Wir haben hier falsche Pilze!

Haben Sie als Ehepaar eine Streitkultur entwickelt?

Wladimir Kaminer: Nein, ich scheue den Streit. Meine Eltern haben sich sehr lange gestritten, weshalb ich eine Abneigung gegen Streit entwickelt habe. Im Streit entdeckt man keine Wahrheiten, sondern nur Depression und schlechte Laune. Er ist eine Sackgasse.

Man merkt Ihrem Buch an, dass Sie immer wieder gern nach Hause zu Ihrer Familie kommen. Was bedeutet sie Ihnen?

Wladimir Kaminer: Obwohl das Familienleben total anstrengend ist. Ich dachte immer, wenn die Kinder erwachsen sind, kann man sich auf die Rolle des Heiligen Geistes reduzieren und nicht immer nur Vater spielen. Aber irgendwie wird es nicht besser.

Sie schreiben in Ihrem Buch, dass Russen ihre Zukunft für vorbestimmt halten und die Zukunft gerne an Wahrsager abgeben. Ist Ihr Leben als Künstler von Anfang an vorbestimmt gewesen?

Wladimir Kaminer: Ich glaube, jeder Mensch entscheidet jeden Tag alles frei. Aber sobald die Entscheidung getroffen ist, wird es zu einer Vorbestimmung. Und dann denkt man, es könnte doch gar nicht anders ein. Ich habe hier jetzt drei unzufriedene Pilzsammler. Ich glaube, ich muss woanders hinfahren!

Sie arbeiten bereits am nächsten Buch. In »Ausgerechnet Deutschland« wollen Sie Geschichten unserer neuen Nachbarn erzählen. Hat die Flüchtlingswelle auch Ihr Leben durcheinandergewirbelt?

Wladimir Kaminer: Auf jeden Fall. Die Welt findet sich gerade neu zusammen. Mich interessiert sehr, dass so viele Menschen in Bewegung gekommen sind. Das ist die neue Revolution des Auswanderns. In der globalen Welt kommen viele Staaten mit dem 21. Jahrhundert nicht zurecht. Anstatt zuhause politische Veränderungen und eine fortschrittliche Ordnung herbeizuführen, die vielleicht erst in drei Generationen zustande kommt, ziehen die Menschen einfach um. Das ist so leicht geworden. Zurzeit sind zwei große Gruppen unterwegs: die Flüchtlinge und die Touristen. Ich schreibe zuerst ein Buch über Flüchtlinge und danach eins über Touristen. Weil es auch Flüchtlinge sind. Manchmal treffen diese Gruppen sogar aufeinander.
Vielen Dank für das Gespräch!

Wladimir Kaminer liest am 10. März um 19.30 Uhr in der Börse in Coswig sowie am 11. März um 11 Uhr in der Schauburg im Rahmen des Festivals Humorzone; Wladimir Kaminer: »Einige Dinge, die ich über meine Frau weiß«, Wunderraum Verlag, 192 S., 20 Euro. Mehr zum Autor: www.wladimirkaminer.de/

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