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Der Fischer und sein Buch – Zweite Runde im Rechtsstreit zwischen Voland & Quist und Droemer Knaur
Zweite Runde im Rechtsstreit zwischen Voland & Quist und Droemer Knaur
■ Satire ist ein scharfer Angriff, und Satiriker wurden schon immer vor Gericht gebracht – von Leuten, die in ihnen eine Gefahr für allgemein geltende Prinzipien sehen, oder von denen, die sich persönlich angegriffen fühlen. Insofern muss man Julius Fischer zur Titelwahl für seinen Kurzgeschichtenband »Die schönsten Wanderwege der Wanderhure« beglückwünschen. Er hat alles erreicht, was auf diesem Gebiet möglich ist. Er hat sich auf einen Titel bezogen, der beinahe als Synonym für ein Literaturgenre zu betrachten ist, und hat damit eine Diskussion ausgelöst, die auf die grundsätzliche Frage nach dem Verhältnis von Kunstfreiheit und Eigentumsrecht reduziert werden kann. Dem Landgericht Düsseldorf zufolge geht das Eigentumsrecht vor Kunstfreiheit. So wurde es Ende März dem Verlag Voland & Quist beschieden: Das Buch darf nicht mehr unter seinem Titel vertrieben werden. Gegen diese Entscheidung legt Voland & Quist nun Berufung ein. Die zusätzlichen Kosten für die zweite Instanz will der Verlag durch eine Crowdfunding-Kampagne auf Startnext finanzieren. DRESDNER-Autorin Annett Groh ist im Gespräch mit dem Verleger Leif Greinus (Copyright Foto: Robert Gommlich) und Raphael Thomas, Rechtsanwalt von Voland & Quist, dem Rechtsstreit auf den Grund gegangen.

Die von Droemer Knaur reklamierten Punkte waren die Verletzung der Titelrechte und Trittbrettfahrerei. Das ist im Hinblick auf ein Werk, das ausdrücklich »kein historischer Roman« sein will, etwas absurd. Was könnten die wirklichen Gründe für den Prozess gewesen sein?

Leif Greinus: Wir vermuten, dass sich das Autorenpaar Iny Lorentz persönlich angegriffen gefühlt hat. Sie werden im Glossar als »Rentner« bezeichnet, und das war auch einer der Punkte der Klageschrift.
Raphael Thomas: Als Autoren unzähliger Bestsellerbücher sind Iny Lorentz Personen von öffentlichem Interesse. Daher müssen sie auch mit satirischen Äußerungen, die sie selbst betreffen, zurechtkommen. Im übrigen ist ja weder der Buchtitel diffamierend noch die Äußerung, dass sie Rentner seien.

Wie weit erstreckt sich das Urteil des Landgerichts Düsseldorf eigentlich? Verbietet es die Benutzung des Begriffs »Wanderhure« für alle Buchtitel, also nicht nur für historische Romane?

Raphael Thomas: Das Urteil bezieht sich natürlich erst einmal nur auf diesen konkreten Fall. Wenn es jedoch von der nächsten Instanz bestätigt werden sollte, dann dürfte die Prüfung zulässiger Buchtitel in Zukunft für Autoren, Verlage und Anwälte sehr viel schwieriger werden. Die Titelrechte an Büchern sind im Markengesetz geregelt, Titel und Marken gehören zum grundgesetzlich verankerten Eigentumsrecht. Genauso – und zwar erst einmal schrankenlos – wird aber auch die Freiheit der Kunst durch das Grundgesetz garantiert. Das Landgericht Düsseldorf stand eigentlich vor der Aufgabe, diese beiden Grundrechte gegeneinander abzuwägen. In seinem Urteil konstatiert es jedoch nur ganz lapidar, dass die Eigentumsrechte von Droemer Knaur gegenüber der Kunstfreiheit Vorrang genießen.

Sie sammeln jetzt auf startnext.de Geld für das Berufungsverfahren. Heißt das, Sie gehen davon aus, dass auch die nächste Instanz zugunsten von Droemer Knaur entscheiden wird?

Leif Greinus: Nein, wir gehen davon aus, dass das Urteil geprüft wird und dass dieser Punkt hinsichtlich der Kunstfreiheit, die hinter das Eigentumsrecht zurücktreten soll, richtiggestellt wird. Wenn wir den Prozeß gewinnen, dann stiften wir das Geld dem Tucholsky-Museum in Rheinsberg.
Vielen Dank für das Gespräch!

www.voland-quist.de

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